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David Rimsky-Korsakow

<im angstschrei> - klangliche Aspekte in Hermann Nitschs 'orgien mysterien theater'

<meine musik hat ihre wurzeln im schrei, im lärm, ist verbunden mit extremster erregung, die zur notwendigkeit des theaters gehört.>¹

 

a) im.

Die metaphorische Abreaktion des Herumwühlens verschiedener Akteure in Tierkadavern, Obstkörben, Weinfässern und Bluteimern während einer der über 157. Aktionen, die Hermann Nitsch seit den frühen 1960er-Jahren in unterschiedlichen Teilen der Welt veranstaltet, ist das zentrale szenische Thema seiner aktionistischen Arbeit, dem orgien mysterien theater. Die rituelle Proklamation seines Vitalismus ist verwandt mit Atonin Artauds Theaterutopien, Marquis de Sades Fetische und vielen anderen körperlichen Tropen. Der Trieb des Wühlens, der Versuch des Eindringens in einen anderen Körper ist gleichermaßen metaphorische Sinnsuche, emotionale Sehnsucht, erotische Triebbefriedigung, fleischiger Fetisch und lautsprachliches Bild zugleich. Unter stöhnender Anstrengung reissen Sehnen, schmatzt Fleisch und knacken Knochen.

b) angst.

Nitsch wird im laufenden Zweiten Weltkrieg geboren und muss sich mit seiner Familie immer wieder in Luftschutzbunkern verstecken. Dröhnende Bombardements und heulende Fliegeralarmsirenen konstituieren eine Überforderung, die nur von der Angst vor der absoluten Stille des Nichtexistierens übertroffen wird. Ein Kindheitstrauma, das gerade in der post-faschistischer Reaktion des Wiener Aktionismus in vielerlei Form den akustischen Weg in seine Aktionen findet.

c) schrei.

Die Kompositionen Hermann Nitschs, die mal von professionellen Musikern, mal von Laien-Orchestern vorgetragen werden, suchen ihre Qualität in der Intensität ihrer Performance. Oft dürfen die ausführenden Musiker das Tonmaterial frei wählen. Die Entstehung des musikalischen Vorgangs ist Nitsch wichtiger als das Ergebnis. Dazu ist die Sprache auf den ersten Blick in seinen Aktionen absent. Nitsch interessiert sich speziell für einen prä-verbalen, stimmlichen Impuls: den Schrei.In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie Hermann Nitschs orgien mysterien theater klingt, welche Geräusche die szenischen Abreaktionsvorgänge inklusive der flatschenden Eingeweide, der ächzenden Akteure, den schreienden Chören, den lärmenden Blasorchestern und den brüllenden Protestaktionen begleitet.

 

¹ Hermann Nitsch (1999): <die musik des orgien mysterien theaters>. Auf der offiziellen Internetseite von Hermann Nitsch, 1999. www.nitsch.org/musicactions.