Jahrestagung „‚… macht aber viel Arbeit'. Kunst – Wissen – Arbeit“ (WS 14/15)
Beschreibung
Vorträge und Diskussionen mit WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen, Kammermusik-Konzert, Tatort-Tagung-Vermessung
UdK Berlin, Medienhaus, Grunewaldstraße 2–5, Aula
Do, 9. Oktober bis Sa, 11. Oktober 2014
Bei der Auseinandersetzung mit den Künsten stehen gemeinhin die Ästhetik der Werke und die Kreativität der Produktionsprozesse im Vordergrund. Dass Kunst darüber hinaus, wie Karl Valentin es treffend auf den Punkt gebracht hat, viel Arbeit macht, bleibt zumeist unberücksichtigt. Dabei stehen die vermeintlich polaren Bereiche – zumal in der Gegenwart – in einem so engen Wechselverhältnis, dass es notwendig wird, ihre Differenzen, Interdependenzen und Hybriditäten neu zu bestimmen.
Die Tagung fragt nach der Verschränkung künstlerischer Disziplinen mit spezifischen Arbeitsfeldern, nach Abhängigkeiten der Kunst von bestimmten Techniken des Hervorbringens, Gestaltens und Produzierens, sowie nach eigenen (und anderen) Vorstellungen von Arbeit.
Kunst_Wissen_Arbeit (Programm)
Programm
[Translate to English:] 13:30 Tanja Michalsky (Berlin): Begrüßung
13:45 Kerstin Stakemeier (München): Kunst als Arbeit an der Entfremdung Making a Living and Making Art
15:15 Einführung
15:30 Stewart Martin (London): Art/Work
16:00 Marina Gerber (Berlin): Towards a Theory of Art After Work
17:30 Sergey Letov (Moskau): Scientific Work and Free Jazz in the late Soviet Era
18:00 Vadim Zakharov (Berlin): Book Designer, Editor, Archiver – The Formation of my Artistic Activity
Freitag, 10. Oktober 2014 "Kunstprodukt und Industriewerk"
10:00 Jens Schröter (Siegen): Die Kunst und der Konflikt zwischen Wissen und Arbeit
10:45 Anastasia Dittmann (Berlin): Fabrikation und Maskerade – zum Warenwert von Atelierporträts
11:15 Heide Barrenechea (Berlin): Photography as Work. Zur Kommerzialisierung des fotografischen Bildes bei Hashem el Madani
12:15 Tiago da Costa e Silva (Berlin): Ein paradigmatischer Ansatz des Designs
14:30 Tanja Michalsky (Berlin): Die Kunst der Aufklärung im Fernsehen. Rainer Werner Fassbinder: Acht Stunden sind kein Tag Musikpädagogische Arbeit
15:30 Georg Breidenstein (Halle a.S.): (Musik-)Unterricht und Schülerjob – die Perspektive der „studies of work“
16:15 Hermann J. Kaiser (Hamburg): Arbeit – Modus einer ästhetischen Aneignung unserer Welt
17:15 Felicity Laurence (Newcastle) und Marion Haak-Schulenburg (Berlin) Kunst-MUSIK-Pädagogik. Perspektiven auf künstlerische Arbeit mit Kindern
19:00 Konzert mit dem Ensemble Iberoamericano Wiederaufführung des Programms Nr. 42 der Nueva Música vom 30. Oktober 1944 in Buenos Aires: kammermusikalische Werke von Juan Carlos Paz, Esteban Eitler, Adolph Weiss, Ernst Krenek, Heitor Villa-Lobos und Julio Perceval
Samstag, 11. Oktober 2014 "Musik als Beruf"
10:00 Sarah Zalfen (Berlin) Kleines Geld, große Gefühle? Formen und Veränderungen musikalischer Arbeitsprozesse
10:45 Matthias Padszierny (Berlin) Zwischen DJ-Residency und Kreativgenossenschaft. Arbeits- und Lebensformen in der Technoszene KunstHandWerkGewerbe
12:00 Tatjana Bergius (Berlin): Tatort Tagung
12: 45 Jens Meinrenken (Berlin): In der Tat. Zum Handwerk der Kriminalistik
14:30 Franziska Uhlig (Berlin): Wi(e)derstände
15:15 Martina Dobbe (Berlin) Verbergen und Offenlegen der Herstellung. Arbeit/Handwerk als kulturelle Einschreibung in der (post-)konzeptuellen Fotografie
16:00 Hans-Georg Bauer (Berlin): Handwerk Maschinenwerk. Computerbasierte Prozesse in der architektonischen Gestaltung
Abstracts und Bios der Beteiligten in alphabetischer Reihenfolge
Heide Barrenechea (Berlin): Photography as Work. Zur Kommerzialisierung des fotografischen Bildes bei Hashem el Madani
Ausgehend von einem mit Photography as Work betitelten Text, der sich aus Interviews zwischen dem südlibanesischen Fotografen Hashem el Madani und dessen Landsmann dem Künstler Akram Zaatari zusammensetzt, diskutiert der Vortrag die fotografische Praxis des 1928 geborenen Fotografen im Kontext von Kommerzialisierungs- und Ökonomisierungsbestrebungen. In dem benannten Text wird das Fotografieren als eine merkantile Tätigkeit konzeptualisiert und der Fotograf als Dienstleister charakterisiert, der sein Tun als ein in erster Linie systematisches und unter ökonomischen Gesichtspunkten verfolgtes beschreibt.
Vermittels ausgewählter Porträtfotografien sowie mit Blick auf Madanis strukturierte Prozesse des Fotografierens, Herstellens und Archivierens geht der Vortrag der Frage nach, inwiefern sich die Praxis des Fotografen im Feld des Seriellen und Merkantilen verorten lässt. Überdies soll danach gefragt werden, inwieweit sich in Hashem el Madanis Fotografien das Verhältnis zwischen künstlerischem Artefakt und rationalisierter/kommerzialisierter Produktion manifestiert und welche Umsemantisierungen entstehen, wenn diese durch Akram Zaatari in kuratorische oder künstlerische Projekte integriert werden.
Heide Barrenechea ist Kollegiatin am Graduiertenkolleg „Das Wissen der Künste“. Sie studierte Kunstgeschichte, Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Freien Universität, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg. 2008−2010 wissenschaftliche Hilfskraft im Sonderforschungsbereich „Kulturen des Performativen“ an der FU. Seit 2011 freie Mitarbeit für die Staatlichen Museen zu Berlin (Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart).
Hans-Georg Bauer (Berlin): Handwerk – Maschinenwerk. Computerbasierte Prozesse in der architektonischen Gestaltung
In der aktuellen Etablierung des „computational design“ in der Architektur vollzieht sich auch ein Wandel im Denken und in den Methoden des Entwerfens. Die Gestaltung von Modellen für Simulation, Planung und Fertigung als integralem System ergänzt und ersetzt zunehmend das handwerklich gefertigte, repräsentative architektonische Modell. Parametrische Modellierung bietet durch die Abbildung von Beziehungen der Objekte eines Systems die Generierung vielfältiger Lösungsvarianten innerhalb des Parameterraums einer Entwurfsaufgabe.
Die Verknüpfung von Informationen zu Geometrie, Materialität, performativen Eigenschaften und Nutzerverhalten ermöglicht einerseits die Berechnung und Analyse umfangreicher Daten zu einem frühen Zeitpunkt des Entwurfs und bietet damit die Chance Entscheidungen des Entwerfers zu steuern und Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren. Hochkomplexe Zusammenhänge beispielsweise eines klimatisch orientierten Gebäudeentwurfs können in ausreichender Tiefe analysiert werden und deren Untersuchung kann entscheidende Impulse bei der Entwicklung eines Gebäudekonzeptes liefern. Andererseits erfordert der computerbasierte Entwurfsprozess mit seinen spezifischen Eigenschaften und Möglichkeiten ein konzeptionelles Verständnis seiner Techniken und Strategien, als ein rechnergerechtes analoges und digitales Handwerk. Dieser doppelten Problematik wird der Vortrag nachgehen.
Hans-Georg Bauer ist Kollegiat am Graduiertenkolleg „Das Wissen der Künste“. Er studierte Architektur an der TU Cottbus, La Sapienza Rom und der UdK Berlin. Bisherige Arbeitsstationen waren Graft-Architekten in Los Angeles, Plus4930-Architekten und Barkow-Leibinger Architekten in Berlin.
Tatjana Bergius (Berlin): Tatort Tagung – Zeichenstelle
Wie kommen wir dem wissenschaftlichen Treiben und dem Tatort Tagung auf die Spur? Die Berliner Künstlerin Tatjana Bergius (Meisterschülerin der Udk Berlin) wird dazu die Veranstaltung "... macht aber viel Arbeit. Kunst Wissen Arbeit“ zeichnerisch beobachten und kriminalistisch vermessen. Ermittlungsentscheidend sind hierbei ihre Kenntnisse und Erfahrungen als Tatortvermesserin und Phantombildzeichnerin beim Landeskriminalamt in Berlin. In einem anschließenden Gespräch mit Jens Meinrenken und Nina Wiedemeyer sollen folgende Fragen diskutiert werden: Was macht eigentlich eine Polizei-Zeichnerin? Welche Kenntnisse aus der Kunst sind wichtig, um „subjektive Täterportraits“ anzufertigen oder Tatorte zu erfassen? Welche Praktiken aus der Ermittlerarbeit haben wiederum die Kunst von Tatjana Bergius beeinflusst? Das erhobene zeichnerische Material wird als „Tatortmappe“ auf wissenderkuenste.de im Frühjahr 2015 publiziert.
Tatjana Bergius ist freischaffende Künstlerin aus Berlin. 1999 machte sie ihren Meisterschülerabschluss an der UdK Berlin (Klasse Wolfgang Petrick). Bis 2002 stellte sie regelmäßig bei end-art in Berlin aus (Zeichnungen und Radierungen). Sie nahm an etlichen Gruppenausstellungen teil, u.a. 2002 „Die neuen Stipendiaten der Karl-Hofer-Gesellschaft“ im Haus am Kleistpark und 2003 im Haus am Waldsee Berlin, sowie 2005 „deep action“ im Kolbe Museum Berlin. Von 2003-2008 arbeite sie als Zeichnerin für das Landeskriminalamt in Berlin (subjektive Täterportraits und analoge Tatortvermessung). In den folgenden Jahren stellte sie Tuschearbeiten bei Galerie Metro in Berlin, in der Kunsthalle in Edsvik-Stockholm, Schweden und in Liberek, Tschechien aus, 2014 das graphic-novel „Eine Reise unter den Spiegel“ in der Stiftung Starke Berlin (Gruppenausstellung „survivors“). Sie lebt und arbeitet in Berlin und Kloster Lehnin.
Georg Breidenstein (Halle a.S.): (Musik-) Unterricht und Schülerjob – die Perspektive der „studies of work“
Der Vortrag präsentiert Befunde aus zwei Projekten der empirischen, ethnographischen Unterrichtsforschung. Das erste Projekt hat die Pragmatik und die Routinen von Schülerinnen und Schülern in der Auseinandersetzung mit den Anforderungen schulischen Unterrichts untersucht und beschreibt die grundlegende Haltung von Jugendlichen gegenüber schulischen Anforderungen als „Schülerjob“: Man tut was zu tun ist – ohne Widerstand, aber auch ohne größere Identifikation. Die Praktiken und Routinen des Schülerjobs beziehen sich dabei zu großen Teilen auf die Produkte schulischen Unterrichts, an denen die „Ergebnisse“ dieses Tuns darstellbar werden und sich der Unterricht seines Zwecks vergewissern kann. In dem anderen (laufenden) Projekt zur „Individualisierung“ des Unterrichts in reformpädagogischen Kontexten stoßen wir auf die alles beherrschende Terminologie des „Arbeitens“, die die zusammenfassende Bezeichnung und zugleich die legitimatorische Basis der unterschiedlichen Tätigkeiten von Schülerinnen und Schülern zu bilden scheint. Beide Befunde sind dahingehend zu diskutieren, inwieweit sich auch der Musikunterricht im Rahmen des Schülerjobs und der Arbeitsterminologie bewegt oder ob dieser (vielleicht punktuell) aus diesem Rahmen herauszutreten vermag.
Georg Breidenstein hat Geschichte, Sozialwissenschaften und Kunst für das Lehramt an der Universität Bielefeld studiert und dann in erziehungswissenschaftlichen Projekten promoviert und habilitiert. Seit 2008 hat er eine Professur für Grundschulpädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg inne. Seine Forschungsschwerpunkte erstrecken sich auf die Kindheits- und Peerkulturforschung, die ethnographische Unterrichtsforschung sowie die Methoden und Methodologie qualitativer Sozialforschung.
Tiago da Costa e Silva (Berlin): Ein paradigmatischer Ansatz des Designs
Anfang des 20. Jahrhunderts formulierte Walter Gropius ein neues Paradigma für den Zusammenhang von Entwurfsprozess und industrieller Herstellung. Dieses Modell hat die Herstellungsprozesse im Industriezeitalter für immer geprägt. Die künstlerischen Kräfte in den produktiven Werkstätten sollten eng mit einer exakten Lehre der Gestaltungselemente und ihrer Aufbaugesetze verbunden sein. Damit ergänzte er die paradigmatische Wechselwirkung des Projektierens für die Industrie, das einerseits der seriellen Produktion dient. Andererseits ermöglichte dieses Paradigma die Entwicklung verschiedener Methoden und Verfahren des Designs als kreativer Faktor. In diesem Kontext wird Design von Herstellungsmodi der Industrie bedingt, wie umgekehrt die Industrie von spezifischen Entwurfsprozessen des Designs bedingt ist.
Mit seiner Vision für das Bauhaus wollte Gropius den Kern der Kunst des Erfindungsprozesses erreichen, wenn auch diese sogenannte "Kunst" noch nicht verständlich oder deutlich ist. Tatsächlich bildete dieser Ansatz des Designs eine Art Ideen-Synthese (Hans M. Wingler), durch welche noch nicht dagewesene Innovationen, Konzeptionen, Entstehungsprozesse und revolutionäre Ausführungen vorwegzunehmen sind. Auf diese Weise modifiziert sich das Design selbst und passt sich ständig an. Daraus ergibt sich − so die These des Vortrags – dass dieser Ansatz des Designs ein besonderes Verfahren bildet, das über jeden historisch-singulären Kontext der Produktion hinausgeht.
Tiago da Costa e Silva ist Kollegiat am Graduiertenkolleg „Das Wissen der Künste“. Er studierte Industriedesign im Bereich Visuelle Kommunikation an der Staatlichen Universität zu São Paulo und der Päpstlichen Katholischen Universität São Paulo. 2007−2009 Lehrtätigkeit am „Universitären Zentrum Senac“ und der Fundação Armando Álvares Penteado (FAAP) im Bereich Designgeschichte, Designtheorie, Bildanalyse, Experimentelles Sprachlabor. Forschungsschwerpunkte: Philosophie im Bereich des objektiven Idealismus, Ästhetik, Semiotik, Pragmatismus sowie Visuelle Kommunikation und Designtheorie.
Anastasia Dittmann (Berlin): Fabrikation und Maskerade – zum Warenwert von Atelierporträts
Mit dem fotografischen Porträt sind zwei Aspekte im Verhältnis von Kunst und Arbeit problematisiert. Zum einem, insbesondere seit Aufkommen der Visitkarte, spielt dieses Verhältnis eine zentrale Rolle in der Entwicklung einer massenhaft produzierten und vermarkteten Ware, deren Ästhetik unter dem Paradigma des Seriellen stand. Zum anderen sind durch Gewinnmaximierung, Akquisition von Klientel und künstlerischer Eigenständigkeit als Berufsfotograf eine neue Generation von Ateliers entstanden. Durch technische Fortschritte konnte der Produktionsprozess weiter rationalisiert werden. Die Konkurrenz unter der Vielzahl an Ateliers steigerte sich und führte nicht selten dazu, dass viele geschlossen oder verkauft werden mussten und die ursprünglichen Betreiber zu einfachen Angestellten degradierten oder verarmten.
Der Vortrag geht der Frage nach, wie Produktionsprozesse innerhalb der Massenproduktion von fotografischen Atelierporträts organisiert, inszeniert und konzeptualisiert worden sind. An welchen Stellen kommt es zu Kollisionen oder Kollaborationen zwischen künstlerischem und rationalisiertem Produktionsprozess? Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Ware und Arbeitsprozess definieren? Und wie hat die Arbeit und das Selbstverständnis des Berufsfotografen nicht nur die Ästhetik der Werke beeinflusst, sondern auch die seriellen Produktionsweisen vorangetrieben?
Anastasia Dittmann ist Kollegiatin am Graduiertenkolleg „Das Wissen der Künste“. Sie studierte Kunstgeschichte, Italianistik und Anglistik an der Philipps-Universität Marburg. 2007−2010 Mitarbeit bei verschiedenen Datenbankprojekten am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg. 2009−2011 Lehrtätigkeiten am Marburger Institut für Kunstgeschichte.
Martina Dobbe (Berlin): Verbergen und Offenlegen der Herstellung. Arbeit/Handwerk als kulturelle Einschreibung in der (post-)konzeptuellen Fotografie
Vor dem Hintergrund neuerer epistemologischer Diskurse zum Handwerk diskutiert der Vortrag das Werk von Christopher Williams. Mit seiner kritischen Bezugnahme auf Albert Renger-Patzschs Die Welt ist schön befragt Williams die Darstellbarkeit von Arbeit in Moderne und Nachmoderne. Zugleich macht er mit der unablässigen Befragung des Handwerks Fotografie das Verbergen und Offenlegen der Herstellung auch medienspezifisch zum Thema. Zugespitzt hieße das: Williams macht nicht nur die 'Muster der Repräsentation von Industriegesellschaften‘ sichtbar, sondern zugleich das Medium dieser Repräsentation – die Fotografie – als Handwerk des Post/Konzeptualismus.
Martina Dobbe, Professorin für Kunstwissenschaft an der UdK Berlin, ist stellvertretende Sprecherin des Kollegs "Das Wissen der Künste". Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf den Gebieten der ikonisch-phänomenologisch fundierten Bildwissenschaft, der Medienästhetik sowie der Kunst von Moderne und Gegenwart. Laufende Projekte betreffen die Themen: Skulptur im erweiterten Feld, Ornament und Ornamentlosigkeit im System der Künste / Kunst und Wissen / Kunsttheorie als Medientheorie.
Ensemble Iberoamericano (Weimar): Ein Konzertabend am 30. Oktober 1944 im Volkstheater, Buenos Aires
Die Vorlage dieses Konzertes unter der Mitwirkung von Ulrika Strömstedt (Gesang), Elizaveta Birjukova (Flöte), Diego Villela (Oboe), Hugo Rodríguez (Klarinette), Jochen Schneider (Fagott), Louise Denis (Viola) und Stefan Dietze (Kontrabass) ist ein Programmheft einer Veranstaltung Neuer Musik, die am 30. Oktober 1944 in Buenos Aires stattgefunden hat. Die modern orientierte Gruppe Nueva Música unter der Leitung vom argentinischen Komponisten Juan Carlos Paz (1897–1972) veranstaltete dabei seit 7 Jahre eine kammermusikalische Reihe, die als ‚Anthologie aktueller Tendenzen‘ der internationalen Musikszene konzipiert war. Das Konzertprogramm verbildlicht diese Internationalität und die Vielfalt der damaligen Tendenzen aktueller Musik: Neben Werke von in Argentinien lebenden Komponisten, darunter von Paz selbst, aber auch vom belgischen Emigrant Julio Perceval und vom österreichischen Komponisten und Flötisten Esteban Eitler, der dieses Konzert außerdem musikalisch leitete und in jedem Stück mitwirkte, erklingen Werke von Adolph Weiss (USA), Ernst Křenek (Österreich, damals bereits nach USA emigriert) und Heitor Villa-Lobos (Brasilien). Diese in ihrer Mehrheit sehr selten gespielten Partituren wurden ebenfalls aus unterschiedlichen Archive zusammengestellt.
Programm
Julio Perceval, Trio serenade (1934), für Flöte, Klarinette und Fagot
Juan Carlos Paz, Tercera composición en trio op. 38 (1940), für Flöte, Oboe und Fagot
Adolph Weiss, Sonate (1930) für Flöte und Bratsche
Esteban Eitler, Trio 1944 (1944), für Flöte, Klarinette und Kontrabass
Ernst Křenek, Sonatina op. 92, 2b (1942) für Flöte und Klarinette
Heitor Villa-Lobos, Choros Nr. 2 (1924) für Flöte und Klarinette
Esteban Eitler, Cuatro fábulas de Daniel Devoto (1944) für Gesang, Flöte, Oboe und Fagot
Das in Weimar angesiedelte Ensemble Iberoamericano widmet sich der Interpretation und Vermittlung iberoamerikanischer Kunstmusik des 20. und 21. Jahrhunderts. Es setzt sich aus Musikern unterschiedlicher lateinamerikanischer und europäischer Länder zusammen, die in Deutschland ausgebildet wurden und tätig sind. Die Arbeit des Ensembles charakterisiert sich durch die Konzeption von interdisziplinären Projekten, in denen die Kompositionen in einem thematischen Kontext präsentiert werden. Auf dieser Weise laden die Projekte dazu ein, die kulturellen Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika neu zu erkunden.
Mehr Informationen befinden sich unter: www.musica-iberoamericana.com.
Marina Gerber (Berlin): Towards a Theory of Art After Work
The aim of this paper is to consider “art after work”, that is, artistic activities that take place in the evenings, on weekends, on holidays, or in other words, during so-called “free time”. The broad contention is that art produced by artists who have day jobs involves some relation to their work activity, and that this is a vital issue today, given that only few artists make a living from their art. Two basic questions are at stake here: How do the concepts of labour, work and free time relate to one another in this condition of “art after work”? And how does this impact upon the self-identification of an artist?
The paper will approach these questions through the examination of three perspectives that raise a range of key issues about “art after work”: Rancière's La Nuit des Prolétaires (1981), which addresses the issue of workers' identification with bourgeois culture; Malevich's “Labour and Rest” (1923), where he argues that labour and rest can be transformed through art; and the debates around “art in free time” in the Soviet journal Questions of Philosophy (1960s).
Marina Gerber ist Kollegiatin am Graduiertenkolleg “Das Wissen der Künste” (UdK) und promoviert mit dem Thema “Collective Actions: The Tension between Labour and Free Time in the Dissolution of Soviet Art and Aesthetics”. Sie studierte an der Universität Lüneburg, war Mitherausgeberin von Artist in Residence: Neue Modelle der Künstlerförderung (2008), publizierte Rezensionen in Third Text, Art History und Philosophy of Photography und die Artikel “After Participation” (Mute) und “Interpretative Reflex” (Texte zur Kunst).
Hermann J. Kaiser (Hamburg): Arbeit – Modus einer ästhetischen Aneignung unserer Welt
Ich möchte über meine Darlegungen nachvollziehbar machen, dass „musikbezogenes Lernen“ im Musikunterricht „arbeiten“ heißt/ist. Darin möchte ich zugleich deutlich machen, dass mit der (begrifflichen) Fassung der lernenden Tätigkeit im Musikunterricht als „Arbeit“ bzw. als „arbeiten“ zunächst nichts über den gesellschaftlichen Wert oder Unwert des musikbezogenen Lernens in der Schule gesagt ist. Das hierin angesprochene Normativitätsproblem ist aus meiner Sicht an dieser Stelle außen vor zu halten.
Weiterhin möchte ich zeigen (wenigstens andeutungswiese), dass „Arbeit“ und „Kunst(aus)übung“ keinesfalls als miteinander unvereinbar auseinanderfallen; selbst wenn das im gemeinen Verstande nahezu durchgängig so vollzogen wird. Kunst(aus)übung ist ohne das für sie konstitutive Moment Arbeit nicht denkbar, wie auch der Begriff musikpädagogische Arbeit ohne das für ihn konstitutive Moment Kunst(aus)übung letztlich eine »contradictio in adiecto« bedeuten würde.
In Kürze:
1. Ich beschreibe musikbezogenes Lernen im (Musik)Unterricht der Schule als Modus der Aneignung unserer natürlichen und sozialen Umwelt in der Form von Arbeit/arbeiten.
2. Ich beschreibe musikbezogenes Tun („Kunst(aus)übung“, d. h. Produktion, Rezeption, Vermittlung usf.) als Modus der Aneignung unserer natürlichen und sozialen Umwelt in der Form von Arbeit/arbeiten.
3. Im Musikunterricht der Schule verbinden sich – im besten Falle – die beiden Formen der Aneignung unserer natürlichen und sozialen Umwelt in je spezifischer Form zu einer Einheit.
Hermann J. Kaiser studierte Komposition und Schulmusik in Köln sowie Philosophie, Germanistik und Pädagogik in Bonn und Köln. 1957-63 Meisterschüler von B. A. Zimmermann. Lebte 1963-66 in Schweden als freier Komponist. 1967-69 Musik- und Philosophielehrer an Gymnasien in Bonn und Köln sowie Fachleiter für Philosophie und Pädagogik in Köln. 1969 Promotion in Philosophie an der Universität Bonn. 1972-73 Prof. für Wissenschaftstheorie und Empirische Verfahren an der Universität Münster, 1973-76 o. Prof. für Erziehungswissenschaft an der Hochschule der Künste Berlin, 1976-88 o. Prof. für Musikpädagogik an der Universität Münster, seit 1988 an der Universität Hamburg; seit 1998 gleichzeitig externes Mitglied des Instituts für Musikpädagogische Forschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Hermann J. Kaiser ist Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates.
Felicity Laurence (Newcastle): Kunst-MUSIK-Pädagogik: Kinder als Künstler oder als Mitspieler in der Kunstmusik
(Art-MUSIC-Pedagogy: Children as artists or as participants in the production of art music)
In his volume Music Society Education (1978), the philosopher Christopher Small argued a view of children as artists rather than as consumers, a polemic which remains acutely relevant in current music pedagogical discourse. Taking this as our basis, together with his later groundbreaking concept of 'musicking', which gives the meanings of music in terms of the activity of doing music, rather than the analysis of the music work, we will sketch some core tenets of his theory, and then apply these to examine two examples of music educational practice. Both examples are located in the context of the same specific and ongoing political conflict. In the first case, the children’s musicking is directed towards achieving ‘high’ intrinsic artistic value, so that the work achieved by the musical activity is principally aesthetically oriented. In the second, the assumed value deals less with the pursuit of aesthetic excellence than with other benefits conferred by the musicking, here seen more as a tool to achieve other ends. We challenge and complicate these views, as we examine some theoretical underpinnings of music pedagogical practice associated with the production (itself a ‘work-oriented’ terminology) of ‘art’, and alternatively, of pedagogical practice associated with a view of ‘ordinary’ children as inherently artistic –no matter what their extant level of musical skill may be.
Felicity Laurence and Marion Haak-Schulenburg
Felicity Laurence lectures in the music department at Newcastle University, UK, focusing upon sociocultural issues in music education, and research methodology in music educational research. With a background as international children's choir specialist and pedagogue, and composer of choral works for children, she currently pursues research in the areas of children's voice in the music classroom, musical educational activity in contexts of geopolitical upheaval and conflict, and music and empathy.
Sergey Letov (Moskau): Scientific Work and Free Jazz in the late Soviet Era
The aim of this paper is to consider the co-existence of various forms of professional activities in late-Soviet life, and more specifically, scientific-technical work and experiments in art and music. The versatile and accessible Soviet scientific-technical education allowed achievements in various spheres. In this paper I will analyse the history of combining scientific research in chemistry with music from the 19th century to present, providing examples of renown Soviet composers, writers, poets, playwrights, actors and film directors, whose profession was in chemistry. Furthermore, the study addresses the professions and the non-musical education of Soviet free jazz musicians from the 1980s, including my own practice, my education, scientific work at the All-Union Scientific Research Institute of Aviation Materials, its successes and achievements on the one hand, and my musical practice on the other: concerts, performances, recordings, and film- and theatre-music recordings. The paper will demonstrate that during the Soviet era the educational system supported a harmonious development of the individual, and enabled him/her to realise him- or herself in various, sometimes very heterogenous spheres of activity.
Sergey Letov was born in Semipalatinsk, Kazakhstan (USSR) in 1956. He graduated from Lomonosov Moscow Institute of Fine Chemical Technology in 1980 and worked as an engineer in the All-Union Scientific Research Institute of Aviation Materials in the 1980ies. Since this time he started collaborations with theatres, rock bands, poets and conceptual artists. He is author of the website Conceptualism Letov, lecturer in the Moscow Institute of Journalism and Literary Creativity. Sergey Letov plays saxophones, flutes and electronic wind instruments.
Stewart Martin (London): Art/work
What relationship does art have to wage-labour? The answer may seem obvious: surely art is not made by wage-labour; surely their relationship is one of opposition or mutual exclusion. However, even if we maintain this answer, it is nonetheless evident that art is often surrounded intimately by wage-labour. Thus, even if an artist is not a wage-labourer, her/his art is frequently dependent on wage-labourers in museums, theatres, music halls, publishing houses, art schools and other such sites in which it appears. And, even if an artist is not a wage-labourer insofar as s/he is making art, s/he may be a wage-labourer too – perhaps working as a decorator to earn money to live. Finally, insofar as some artists live from money earned through their artistic practice, why isn’t this also wage-labour?
This predicament suggests we need to question the obvious answer that art and wage-labour are mutually exclusive. In the process, we are led to deep questions about what is art and what is wage-labour; questions about how they are formed historically, and how this generates their ambivalent relationship today. Most significantly perhaps, I think we need to investigate how art and wage-labour share certain decisive characteristics – such as personality, property and free activity – and how their apparent opposition manifests antagonisms in the social constitution and historical trajectory of these characteristics.
Stewart Martin is Reader in Philosophy and Fine Art at Middlesex University, London, and a member of the editorial collective of the journal Radical Philosophy. He is the author of numerous essays on the relation of art to capitalism, including: ‘Short treatise on art’ (Aesthetics and Contemporary Art); ‘The absolute artwork meets the absolute commodity’ (Radical Philosophy); ‘Critique of relational aesthetics’ (Third Text).
Jens Meinrenken (Berlin): In der Tat. Zum Handwerk der Kriminalistik
Der Vortrag geht von der These aus, dass der kriminalistischen Ermittlungsarbeit ein bestimmtes handwerkliches Können und eine spezifische Arbeitsmoral zugrunde liegen. Dabei ist unser Wissen von diesen Dingen weniger durch eine konkrete Kenntnis der Materie bestimmt, sondern nährt sich vor allem aus den Schilderungen der Kriminalliteratur oder des Films. Das Resultat ist ein Phantasma von Kriminalistik, dass dem Verbrechen eine außerordentliche Logik und Intelligenz zuweist: Dem Bild des genialen Täters steht ein ebenso begabter Ermittler gegenüber. Ohne Professor Moriarty kein Sherlock Holmes, ohne Hannibal Lector keine Clarice Starling. Erst die lückenlose Rekonstruktion des Tathergangs, die akribische Inspektion des Tatorts und das Auffinden des Tatwerkzeugs lösen den Fall. Erst nach getaner Arbeit wird er zu den Akten gelegt und Teil der Geschichte.
Im konkreten Bezug auf dieses Idealbild der Kriminalistik möchte der Vortrag dessen handwerkliche Tätigkeiten genauer untersuchen und zugleich zeigen, welches künstlerisches Verständnis uns von der Ermittlungsarbeit medial vermittelt wird. Neben der Zeichnung, der Fotografie oder dem Film, sollen dabei auch Beispiele aus den Bereichen Comic und Computerspiel präsentiert werden.
Jens Meinrenken studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Bamberg und Berlin. Zahlreiche Vorträge und Aufsätze zu den Themen Comic, Computerspiel und Animation. Darüber hinaus Tätigkeit als Kurator und Journalist. Zurzeit Promotion zu dem Verhältnis von Comic, Storyboard und Film. Seit 2013 ist er erster Vorsitzender des Deutschen Comicverein e.V.
Tanja Michalsky (Berlin): Die Kunst der Aufklärung im Fernsehen. Rainer Werner Fassbinder: Acht Stunden sind kein Tag
Rainer Werner Fassbinder hat 1972/73 mit „Acht Stunden sind kein Tag“ eine Fernsehserie für den WDR gedreht, die es sich zur Aufgabe machte, das Fernsehpublikum über die Zusammenhänge von Arbeit, Freizeit und Solidarität aufzuklären und dabei eine Utopie selbstbestimmter, nicht entfremdeter Arbeit zu entwickeln. Im Rückblick erweist sich die Serie als ein Dokument von der Wende vom Fordismus zum Postfordismus, der höhere Flexibilität und Aufgabenintegration mit Privatisierung und Gewinnmaximierung so zu verbinden suchte, dass heute, in der Folge dieser Entwicklung die Trennung von Produktionssphäre und Privatsphäre kaum noch möglich scheint.
Im Format einer „Familienserie“ angelegt nutzt Fassbinder die Empathie zu seinen Figuren, um in verschiedenen damals aktuellen Konfliktsituationen gesellschaftliche und arbeitspolitische Konstellationen durchzubuchstabieren und fiktive Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Anliegen des Vortrages ist, die filmkünstlerische Aufarbeitung der sozialen Konstellationen herauszuarbeiten und seine Vorgehensweise gegen die postmarxistische Kritik zu verteidigen, Unterhaltungsindustrie, für die die Fernsehserie paradigmatisch steht, sei nicht mit Aufklärung zu verbinden.
Tanja Michalsky, Professorin für Kunstwissenschaft an der UdK Berlin, ist Sprecherin des DFG-Graduiertenkollegs „Das Wissen der Künste“, das sich der spezifisch künstlerischen Wissensgenerierung widmet. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Memoria, Kartografie, Malerei und Kunsttheorie der Niederlande in der Frühen Neuzeit, Visualisierungen des sozialen Raums, sowie das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft. Im Mittelpunkt steht das Interesse an der Aussagefähigkeit von Kunstwerken und Bildern, das auch für die Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst und Film prägend ist.
Matthias Pasdzierny (Berlin): Nennen wir es Arbeit? Die Berliner Clubszene zwischen DJ-Residency und Kreativgenossenschaft
Kaum ein Feld wird derzeit in solchem Ausmaß als Projektionsfläche für zeitgemäße Lebensentwürfe und Arbeitsformen genutzt wie die Clubszene, nicht zuletzt in Berlin. Projekte wie die um einen Techno-Club zentrierte Sozialutopie Holzmarkt - vom Spiegel jüngst als "Heimat für moderne Hippies" bezeichnet - dienen dabei als Beispiel für die in diesem Umfeld vermutete "creative class", bei der Leben, Arbeiten, Wohnen und Feiern ebenso mühelos wie produktiv ineinanderzufließen scheinen. Auf der anderen Seite beklagen Künstlerinnen und Künstler gerade aus dem Club-Kontext eine zunehmende Entprofessionalisierung der Branche als Folge der Digitalisierung und der damit einhergehenden "Demokratisierung" der Produktionsmittel und Vertriebswege. Das daraus resultierende Überangebot an elektronischer Musik habe vielen die Lebensgrundlage entzogen, Existenzen als DJ oder Produzent seien damit im Grunde nur noch als Nebenberuf oder gar Hobby möglich. Dazu passt die Sehnsucht nach einer Verstetigung von Arbeits- und Wirtschaftsstrukturen, die von den üblichen DIY-Karrieren der früheren Pop-Subkulturen wegführen und stattdessen an hergebrachte Modelle bildungsbürgerlicher Kunstförderung anknüpfen - etwa in Form der bereits realisierten DJ-Residenzen des Berlin Music Board. Ziel des Vortrags ist es, diesem Spannungsverhältnis nachzugehen und auf diese Konzeptualisierungen von künstlerische Arbeit, aber auch von Arbeit überhaupt in der gegenwärtigen Clubszene zu thematisieren.
Matthias Pasdzierny, geb. 1976, ist seit 2007 wiss. Mitarbeiter für Musikwissenschaft an der Universität der Künste Berlin, seit 2009 wiss. Mitarbeiter des DFG-Projekts „Kontinuitäten und Brüche im Musikleben der Nachkriegszeit“. 2013 Dissertation (Wiederaufnahme? Rückkehr aus Exil und das westdeutsche Musikleben nach 1945, erschienen München 2014) Weitere Forschungsschwerpunkte: Aufführungslehre der Zweiten Wiener Schule, Techno, Musik als Teil der Video Game Culture.
Jens Schröter (Siegen): Die Kunst und der Konflikt zwischen Wissen und Arbeit
In dem Exposé zur Sektion „Kunstprodukt und Industriewerk“ wird die Kunst einerseits der ‚Industrie‘ als Inbegriff rationalisierter Arbeit und ökonomischer Gewinnmaximierung gegenübergestellt, eine Differenz, die andererseits in eine von ‚neuen Medien und ihre[n] Dispositiven‘ geprägte ‚Lebenswirklichkeit‘ eingelassen ist. Interessanterweise gibt es seit längerer Zeit – und in letzter Zeit mit äußerster Dringlichkeit wieder aufflammend – eine Diskussion darüber, wie neue digitale Technologien in der Industrie aus Gründen notwendiger ökonomischer Gewinnmaximierung eingesetzt werden, um radikale Rationalisierungen zu bewirken – mit dem Effekt Arbeit überflüssig zu machen. Es handelt sich um einen, bemerkenswerterweise schon bei Marx mindestens angedeuteten, Konflikt zwischen Wissen und Arbeit.
Im Vortrag soll der Frage nachgegangen werden, ob auch die Kunst einen vergleichbaren Konflikt zwischen Wissen und Arbeit kennt. Ist sie von den Verschiebungen in der Industrie betroffen? Ist sie selbst eine Industrie, die von (digitalen) Rationalisierungsprozessen verändert wird? Wäre es also einerseits nötig, sie mithilfe der Methoden der ‚Production Studies‘ neu zu untersuchen, während andererseits die Frage nach den Veränderungen ästhetischer Strategien anders zu stellen wäre?
Jens Schröter ist Professor für „Theorie und Praxis multimedialer Systeme“ an der Universität Siegen. Projektleiter (zus. mit Prof. Dr. Lorenz Engell, Weimar): „Die Fernsehserie als Projektion und Reflexion des Wandels“ im Rahmen des DFG-SPP 1505: Mediatisierte Welten. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Geschichte digitaler Medien, Theorie und Geschichte der Photographie, Fernsehserien, Dreidimensionale Bilder, Intermedialität, Kritische Medientheorie.
Kerstin Stakemeier (München): Kunst und Arbeit: zur Medienspezifik der Entfremdung
Das modernistische Ideal der künstlerischen Produktion als unentfremdeter Arbeit war zwar bereits im Moment seines Entstehens immer wieder in die Kritik geraten, nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wurde der Angriff auf es mehr und mehr selbst zum Ausweis künstlerischer Autorschaft. Doch die Distanzierung des künstlerischen Aktes von der materiell verausgabten Arbeit, und damit auch von den tradierten modernistischen Genren der bildenden Kunst, verschärfte den Gegensatz zwischen entfremdeter Arbeit und freier künstlerischer Praxis nur noch weiter. Im Gegensatz zu den modernistischen Angriffen war es hier oftmals nicht das „unentfremdete“, dass in die Kritik geriet, sondern die „Arbeit“.
Der Vortrag wird anhand des Übergangs der Gattungsspezifik der Moderne in die Medienspezifiken der Gegenwartskunst die Frage der Arbeit in der Kunst als Frage nach ihren veränderlichen Produktionsmitteln stellen. In Technikphilosophien wie derjenigen Gilbert Simondons wird die Entfremdung der Maschinen und diejenige der Menschen als gegenseitiges Verhältnis gedacht, in Subjekttheorien wie derjenigen Maurizio Lazzaratos verwachsen Arbeit und Subjekt im neoliberalen Produktionsraum zu einer Form – lässt sich in der Gegenwart noch eine Spezifik künstlerischer Arbeitsformen behaupten? Oder definiert sich was Kunst ist ausschließlich über seinen Objektcharakter?
Kerstin Stakemeier (*1975, Berlin/München) studierte Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und promovierte im Fach Kunstgeschichte am University College London. Sie schreibt zu Kunst(geschichte), Politik und Krise und arbeitet als Juniorprofessorin für Medientheorie am cx zentrum für interdisziplinäre studien der Akademie der Bildenden Künste München. 2012 erschien “Painting - The Implicit Horizon” (mit Avigail Moss), “A - Autonomie” (mit Marina Vishmidt) kommt im Herbst 2014 heraus; “Entkunstung - Kunst als Einsatz” ist bei b_books (PoLYpeN) in Planung.
Franziska Uhlig (Berlin): Wi(e)derstände
In Handwerk skizziert der Soziologe Richard Sennet einen kulturellen Wandel des Verhältnisses von Manualität und Werkzeug, der im Zuge der industriellen Revolution vom Phänomen der ‚Erwerbsarbeit’ überlagert und von einer immer weiter reichenden Kapitalisierung von Vermögen und Fähigkeiten geprägt wird. Das von Sennett in die Zeit vor 1800 und/oder in den Bereich der Kunstproduktion projizierte Interesse des Handwerker-Arbeiters am guten Gelingen und an der Nachhaltigkeit seines Produkts sei zu einer Marginalie verkommen.
Der Beitrag wird von dieser Hauptlinie von Sennetts Argumentation zurücktreten und sich dessen Überlegungen zur Rolle der Widerständigkeit zuwenden. Sie sind in Sennetts Buch eng an das Phänomen eines Übens in freier Setzung und damit an Techniken der selbstbestimmten Existenz gekoppelt. Mit dem Begriff des Widerständigen eröffnen sich interessante Perspektiven auf die Vielfalt instrumenteller Konstellationen der gegenwärtigen Kunstproduktion, insbesondere, wenn es sich weniger um technisch homologe als um technisch anachronistische Verfahren handelt. Ungeachtet der Anknüpfungspunkte an historische Widerständigkeits-Begriffe, die Sennetts Ausführungen ebenfalls bieten würden, soll mit Blick auf das Tagungsthema vor allem danach gefragt werden, was Sennetts Überlegungen für die Diskussion verschiedener Konstituenten der Hand-Werkzeug-Relation wie Archivierung bzw. Vorgängigkeit von Wissen oder die Problemlösungskompetenz bedeuten.
Franziska Uhlig war nach dem Studium der Kunstwissenschaft und Archäologie zunächst wissenschaftlich-kuratorisch für Ausstellungsprojekte wie Theatrum naturae et artis tätig. Seit 2006
führten Dozenturen und Vertretungsprofessuren an verschiedene Kunsthochschulen und das Graduiertenkolleg „InterArt“ der FU Berlin. Arbeiten zu Hand-Werkzeug-Relationen in den Künsten mündeten 2011/12 in ein Research Fellowship am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM) Weimar. Zurzeit unterrichtet sie am Design-Departement der HAW Hamburg.
Vadim Zakharov (Berlin): Book Designer, Editor, Archiver – The Formation of my Artistic Activity
To secure an income independently from one's art allows the artist to be autonomous from the art-market “logic”. However, the conscious refusal, or inability, to make a living as an artist raises a range of questions which I would like to address in this paper. What are the difficulties and the advantages of earning a living with “non-art” and how can this formally and intellectually impact on one's artistic activity? Drawing on historical examples, as well as on my own day jobs and my activity as artist, I argue that “making a living” and “making art” do not have to be incompatible. As will be demonstrated, my work as designer and, later, as archiver, editor and collector has been a great inspiration for my independent artistic activity. In this paper I will analyse how far this consciousness has emerged out of the Soviet experience of being an artist in the 1980s, unable to make money with non-official art, and how this consciousness has continued to form my identity after I moved to Germany in the 1990s.
Vadim Zakharov was born in Dushanbe in 1959. He is an artist, editor, archivist of Moscow Conceptual art scene and collector. Since 1978 he has been participating in exhibitions of unofficial art and worked in collaboration with many artist: V.Skersis, S.Anufriev, A. Monastyrsky, Y. Lejderman, Niklas Nitschke. and others. In 1982–1983 he was a participant of the AptArt Gallery, Moscow. Since 1992 he has been the publisher of the Pastor magazine and founder of Pastor Zond Edition. In 2006 he was editor the book of “Moscow Conceptual school” and in 2008 founder of the website the “Moscow Conceptualism presented by V. Zakharov” www.conceptualism-moscow.org.
He presented the Russian Pavilion on 55th Venice Biennale, 2013, with the project “Danaë” and lives and works in Berlin and Moscow.
Sarah Zalfen (Berlin): Kleines Geld, große Gefühle?
Formen und Veränderungen musikalischer Arbeitsprozesse
In meinem Beitrag möchte ich zwei Zugänge zu "Musizieren als Arbeitsform" kontrastierend einander gegenüber zu stellen und dabei einen differenzierten Begriff der „Arbeit“ Musik entwickeln.
Auf der einen Seite wird ein Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen von Musikerinnen und Musikern, vornehmlich im professionellen Kunstmusikbetrieb der Gegenwart geworfen. Dabei stehen die gewandelten Voraussetzungen und dominierenden Entwicklungslinien im Fokus, die sich hinter den Stichworten der Professionalisierung, Pluralisierung und Prekarisierung verbergen.
Anhand des Begriffs des "emotion work" von Arlie Russel Hochschildt soll aber auch eine zweite Perspektive auf den Arbeitsbegriff in der Kunst/Musik eröffnet und diskutiert werden. Der Begriff entstammt einer Studie über das Gefühlsmanagement von Flugbegleiterinnen und beschreibt Gefühle als Elemente professioneller Lernprozesse und Praktiken, in denen nicht nur der Ausdruck von Emotionen, sondern auch das Fühlen selbst den Normen eines spezifischen Kontextes angepasst wird. Die Produktion von Musik bildet ebenfalls einen Arbeitsprozess, in dem die Verinnerlichung und der Ausdruck von Gefühlen eine vitale Rolle spielen. Ohne dabei in eine postmodern gefärbte Romantisierung abzugleiten, möchte daher diskutieren, inwieweit die Arbeit professioneller Musiker und Musikerinnen als eine Form des emotion work verstanden werden kann und welche Einsichten in Musik als Arbeitsform diese Perspektive liefern kann.
Die Politologin Sarah Zalfen promovierte über den Wandel von Staatlichkeit und die Krise der Oper am Ende des 20. Jahrhunderts in Europa. Sie arbeitete als Produktionsleiterin für verschiedene freie Musiktheaterprojekte. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin forschte sie vier Jahre am Max-Plack-Institut für Bildungsforschung über Musik, Gefühle und Vergemeinschaftung. Seit einigen Monaten arbeitet sie im Brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur.