Liebe Leser*innen unseres Newsletters, liebe Freund*innen der Graduiertenschule,
wir möchten Sie herzlich zur kommenden Graduale einladen, der Abschlussausstellung unserer Stipendiat*innen in der Galerie Wedding. Die transdisziplinären Forschungsprojekte befassen sich mit globalen Krisen, der Transformation von Normalität und Zusammenleben sowie mit unserer kontinuierlichen Suche nach Gerechtigkeit. Die Ausstellung wird von einer erweiterten Buchvorstellung, Performances und einer Filmvorführung im Freien begleitet.
Künstler*innen: Yalda Afsah, Salwa Aleryani, Neslihan Arol, Anthony R. Green, Rindon Johnson, Mariam Mekiwi, Didem Pekün und R A Walden, kuratiert von Övül Ö. Durmuşoğlu
Imagine Something New, Like Justice ist die kollektive Abschlussausstellung der Stipendiat*innen der Graduiertenschule der Universität der Künste Berlin 2019-21, die als Weiterführung der gleichnamigen, ebenfalls gemeinsamen Publikation bei Archive Books in der Galerie Wedding stattfindet. Die Aufrufe zu Gerechtigkeit und Sichtbarkeit, die heute zeitgleich aus verschiedenen Teilen der Welt ertönen, stellen die Spielregeln von Macht, Autorität und Souveränität in Frage, die sich durch das schwankende Regime des Postfaktischen verfestigen. Sie fordern auch öffentliche Räume heraus, deren Grundfeste von jeher gewisse Stimmen zum Schweigen bringen und ausradieren. Sie erklären uns, dass nicht wir repariert werden müssen, sondern die Welt. Was macht diese Gerechtigkeit aus, die wir als gegenseitigen Horizont, als lebenslange Pädagogik, als Kampf, als Vorstellung, als Verlangen fortwährend suchen? Das ist die Kernfrage, die den besonderen letzten Moment der transdisziplinären Forschungsprojekte von Yalda Afsah, Salwa Aleryani, Neslihan Arol, Anthony R. Green, Rindon Johnson, Mariam Mekiwi, Didem Pekün und R A Walden umkreist und durchzieht. Die Künstler*innen präsentieren ihre Arbeiten an einem der bedeutendsten, von Mehrstimmigkeit gekennzeichneten Orte im Wedding. Selbst teilweise vom Sozialamt übernommen, ist die Galerie Wedding zu einem außergewöhnlichen Beispiel für ein Zusammenleben im Spiegel der Zeit geworden, die nun gemeinsam mit dem Rathausvorplatz von den unterschiedlichen Werken durchdrungen wird. Die Künstler*innen erproben Seite an Seite zu stehen, sich zu beraten, die Grenzen zwischen Innen und Außen zu hinterfragen und den Freiraum des Gegenübers zu ertasten und einzuatmen. Die kurze und intensive Begegnung steht im Zeichen der Verbundenheit zum Leben in diesen von Verlust und Sehnsucht geprägten Zeiten und wird von einer erweiterten Buchvorstellung im Freien mit Musik, Gesprächen und Filmvorführungen am 16. und 18. September begleitet.
Kuratiert von Övül Ö. Durmuşoğlu (Kuratorin und Autorin, Gastprofessorin an der Graduiertenschule)
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Foto: Mariam Mekiwi
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Ausstellungseröffnung: 16. September, 19-22 Uhr
20 Uhr: Performance vehicle – postlude von Anthony R. Green
Mit den Worten des Komponisten: "Während meiner Zeit an der UdK hatte ich die Ehre und das Vergnügen, unglaubliche Künstler*innen kennenzulernen, die mein Leben auf so viele Arten verändert haben. Dieses besondere Stück wurde mit Blick auf die Praxis von R A Walden komponiert, die Gerechtigkeit für kranke und behinderte Gemeinschaften schafft."
20:15 Uhr: Erweiterte Buchvorstellung mit Archive Books
Imagine something new, like justice ist ein Publikationsprojekt der Stipendiat*innen der Graduiertenschule 2019-2021 in Zusammenarbeit mit Archive Books, herausgegeben von Övül Ö. Durmuşoğlu & der Graduiertenschule und gestaltet von Santiago da Silva. Die Publikation ist eine Untersuchung von Transdisziplinarität als kollektive Methodik, bei der Künstler*innen, Verleger*innen, Designer*innen, Redakteur*innen und Koordinator*innen über die ihnen zugedachten Rollen der Arbeitsteilung hinausgehen.
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Programmabend: 18. September, 12-22 Uhr
18:30 Uhr: Performance Smaller Big Things von und mit Anthony R. Green & Gastkünstler*innen Lena Czerniawska und Emilio Gordoa
Wo findet sich im Dickicht der Kategorisierungen die Gerechtigkeit der Performance? Durch Bewegung, Klang, Text, Spontaneität, Interaktion und Improvisation ist Smaller Big Things ein viszerales, physisches Performance-Gedicht. Es ist eine Herausforderung, sich den erzwungenen Kompromiss zwischen historischer Aufführungspraxis, pandemisch notwendigen Protokollen in zeitgenössischen Präsentationen und zukünftigen Wünschen vorzustellen. Gleichzeitig ist es eine Einladung an das Publikum, seine Beziehung zu Performance, Präsentation und Improvisation auf mehreren Ebenen zu hinterfragen.
19:15-21:30 Uhr: Graduale Kino mit filmischen Arbeiten von Yalda Afsah, Rindon Johnson, Mariam Mekiwi, Didem Pekün und R A Walden
Didem Pekün: Tülay German - Years of Fire and Cinders (2010)
Tülay German: Years of Fire and Cinders beleuchtet das Vermächtnis der einflussreichen türkischen Sängerin Tülay German in einer Zeit sozialer Unruhen, in der ihre Musik zum Ausgangspunkt für politischen Aktivismus wurde. Als energische und engagierte Frau widersetzte sich German mit ihren beruflichen, politischen und persönlichen Entscheidungen den familiären und gesellschaftlichen Erwartungen. Didem Pekün berichtet aus erster Hand über die Künstlerin, während sie die Verbindungen zwischen Kunst, Politik und Identität erforscht - mit dringenden und berechtigten Fragen angesichts des zeitgenössischen Kontextes.
Mariam Mekiwi: 'abl ma 'ansa / Before I Forget (2018)
Eine Science-Fiction-Geschichte, angesiedelt in einer Küstenregion, zwischen Land und Meer, über und unter Wasser. El Captain verschwindet, einer seiner Schüler begibt sich auf eine Reise in die Tiefen des Ozeans, um das Internetkabel zu kappen, der Wasserspiegel steigt, eine Amphibienfrau erscheint an der Küste und sucht ihre Mutter und die Erinnerungen zweier Frauen in einem Krankenhauszimmer verschwimmen ineinander. Sie alle sind Mitglieder der amphibischen Geheimgesellschaft und der Wissenschaftler Dr. Sharaf versucht, sie zusammenzubringen, um die Welt zu retten.
R A Walden: Notes From The Underlands (2019)
Notes From The Underlands ist ein performativer Text aus den Tiefen der queeren Be_hindertenkultur. Er ist sowohl eine zukunftsorientierte Vision einer kranken, behinderten und pflegenden Utopie als auch ein dringender Aufruf zum Handeln im Jetzt. Der Text wird durch Video, Audio, großformatige Drucke und Untertitel aufgeführt und stellt die Vorstellung in Frage, dass der Körper physisch anwesend (und fähig) sein muss, um auftreten zu können.
Yalda Afsah: BOY (2015)
Farahnaz ist 13 Jahre alt und wurde als "Bacha Posh" in Mazar-e-Sharif, Afghanistan, aufgezogen. Nach dieser kulturellen Praxis werden Kinder, die als Mädchen gelten, von Geburt an oder in jungen Jahren als Jungen gekleidet und in dieser sozialen "Funktion" erzogen. Farahnaz lebt bewusst mit den Freiheiten und Pflichten eines Jungen in einer von patriarchalischen Traditionen geprägten Gesellschaft - vom Fußballspielen bis zum Einkaufen für die alleinerziehende Schwester. Der Dokumentarfilm BOY erzählt Farahnaz' Geschichte und folgt parallel dazu einer 24-jährigen Afghanin in London, die auf ihre ebenfalls von dieser Tradition bestimmte Kindheit zurückblickt. Ein Film von Yalda Afsah und Ginan Seidl
Rindon Johnson: So weird how heaven and hell look so similar (2021)
In diesem Video habe ich einen langen Blick auf Virtual Reality Arbeits- und Gefängnissimulatoren geworfen. Verwirrenderweise wird in der virtuellen Realität die Simulation von Arbeit plötzlich zum Spiel. Die Zeit wird manipuliert, die besten Arbeitszeiten werden gesteigert, der Flow-Zustand wird erreicht und der Spieler bekommt Lust auf mehr. Diese Simulationen können stundenlang gespielt werden, man kann sich in ihnen verlieren, ihr Ertrag ist bestenfalls schwankend.
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Salwa Aleryanis Werk Raising minimum defenses (prelude) (2021) wird an beiden Programmtagen auf dem Rathausvorplatz zu sehen sein.
Auf ein Bild von aneinandergereihten Ziegeln wird ein Stück Marmor gelegt und dann erneut fotografiert. Anstelle eines "Wo und Wann" geht die Arbeit von Spuren des Glaubens an bestimmte zukünftige Daten und deren Veränderbarkeit in Landschaften und Gemeinschaften aus, vor allem in Bezug auf das Bauwesen. Vielleicht rührt meine Faszination von einer Stimme im Hintergrund her, die sagt: "Wer weiß, was zwischen jetzt und dann passieren könnte - inshallah", oder von der Angst vor einer imaginären Zukunft, gegen die wir unsere Abwehrkräfte aktivieren.
Raising minimum defenses ist ein Open Air (Vorspiel) zu einem zukünftigen Werk mit demselben Titel (CITIZEN).
Didem Pekün setzt ihre Plakatkampagne Free Osman Kavala (2018-fortlaufend) am Rathausvorplatz im Rahmen des öffentlichen Programms fort.
Free Osman Kavala ist eine ausgedehnte visuell-politische Kampagne unter der Leitung der Filmemacherin, Wissenschaftlerin und aktivistischen Künstlerin Didem Pekün. Der Gründer der Anadolu Kültür Stiftung, Osman Kavala, ist ein Philanthrop, Kunst- und Kulturmäzen und Geschäftsmann, der seit fast vier Jahren in der Türkei inhaftiert ist - aufgrund unbewiesener Anschuldigungen in Bezug auf Kritik am derzeitigen Regime. Diese Kampagne wurde in verschiedenen Einrichtungen für zeitgenössische Kunst in ganz Europa gezeigt und macht weiterhin auf die Verantwortung aufmerksam, die Kunstschaffende und Kultureinrichtungen bei der Wahrnehmung ihrer eigenen Meinungsfreiheit haben.
Am 22., 24., 25. und 26. September 2021, jeweils um 20 Uhr, finden als Teil des Rahmenprogramms der Ausstellung die Aufführungen des Theaterstücks Karagörlz: Leaving Earth But Holding On to Humanity von und mit Neslihan Arol im Theater im Aufbau Haus Kreuzberg statt.
Karagörlz: Leaving Earth But Holding On to Humanity entwirft eine Komik-Tradition und geht gleichzeitig der Frage nach, ob wir nicht längst jenseits des Zeitalters der Traditionen sind. Wie sähe überhaupt eine Tradition aus, die uns in 600 Jahren etwas über unsere Zeit erzählt? An diesem Abend im Jahr 2621 werden 50 Vertreter*innen der Menschheit noch einmal auf die Erde eingeladen, um darüber abzustimmen. Die eigens für diesen Anlass entwickelte PRESENT–I–I–I wird durch den Abend führen.
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