Foto: Giacomo Brodolini
1. Was ist Ihre Gründungsidee? Welches Produkt, welche Dienstleistung möchten Sie anbieten?
Das Ensemble, das ich seit einigen Jahren zusammen mit der Malerin Martina Brodolini entwickle und aufbaue, heißt A N I T R A. Die Gruppe besteht aus drei Musikern und einer Malerin. Wir bringen Musik und visuelle Kunst, also Malerei und akustische Musik in Form einer Performance zusammen. Das stärkste Merkmal bei uns ist die Malerei, da sie in Bewegung kommt und, anders als üblich, nicht statisch ist. Der Prozess, die Performance muss erlebt werden, um zu sehen und zu wissen, worum es am Ende geht. Es gibt bei jeder Show ein Produkt, das man anschauen, anfassen und ganz nah erleben darf, aber dafür ist der Prozess ganz wichtig, so wie ungefähr in dem Film "Le Mystère Picasso", wo der Maler Pablo Picasso immer wieder über das gemalte Bild malt und sichtbar wird, was da eigentlich für eine Vielzahl von Bildern im Ergebnis steckt. A N I T R A besteht aus Anatole Buccella aus der Schweiz am Fenderbass IV und den Effekten, Felix Heim aus Norwegen am Schlagzeug mit ausgefallenen kleinen Percussion-Instrumenten, Martina Brodolini aus Italien, die mit schwarzer Tinte und Reispapier malt und schließlich mir aus Berlin, der Saxophon spielt. Timothy Carson aus Canada ist ebenfalls bei A N I T R A dabei, er macht den Film. Es ist mir wichtig jemanden dabei zu haben, der sich um die Dokumentation kümmert, der die Filmsprache gut versteht und weiß, was später wie gezeigt werden soll. Er ist auch ein wichtiger Teil des Ensembles.
2. Gibt es eine persönliche Geschichte hinter der Gründungsidee?
Martina und ich haben uns 2013 auf einem Improvisationsfestival kennengelernt. Sie hat zu einer Session ein Bild gemalt, was ich wunderschön fand. A N I T R A selbst fing eigentlich erst 2015 an. Ich hatte 2014 ein eigenes Album mit meiner Band "Die heiße Sieben" gemacht und gebeten, dazu ein Cover zu malen. Einige Zeit später haben wir uns mal wieder in einer Kneipe getroffen. Sie erzählte mir, dass sie gerade Ikonen malt, die mir sehr gefallen haben. So fingen wir an zu fantasieren über die Ikone als liberales Götterbild, das keiner bestimmten Religion zugehörig ist und wir haben das mit dem Tod, Spiritualität und anderen Themen verküpft. Auch mit diesem Glaubenskrieg zwischen Ost und West, der immer noch sehr aktuell ist. Jeder sollte an seinen eigenen Gott glauben und durch die Ikone kann jeder seinen eigenen Gott entwerfen, so wie Martina das gemacht hat. Ich war dann ein Jahr in Schweden. Sie hat mich besucht und wir haben zusammen mit zwei anderen Musikern, Anatole und Felix, improvisiert. Das war die Geburtsstunde von A N I T R A.
3. Welche hilfreichen Voraussetzungen bringen Sie bereits mit? Haben Sie schon einmal etwas Ähnliches gemacht oder ist die Freiberuflichkeit Neuland für Sie?
Ganz viele Sachen haben wir uns selbst beigebracht, eigentlich alles. Ich habe auch eine andere eigene Band, mit der ich Musik mache und aus der ich etwas Wissen mitbringen konnte, aber meistens ist es "learning by doing".
4. Was bedeutet es für Sie freiberuflich zu sein? Worin sehen Sie die Vorteile und Freiheiten? Wo sehen Sie Herausforderungen und was beunruhigt Sie?
Dadurch, dass man selbst kreiert und erschafft, ist man auch frei sich zu überlegen, was man interessant findet oder auch, was das potenzielle Publikum vielleicht interessant findet. Es ist aber auch eine Verantwortung und manchmal sehr hart. Ich bin selbstkritisch und so auch mit dem, was wir machen. Ein zufriedenstellendes Ergebnis zu finden ist nicht immer leicht. Auch wenn man anfängt einen ersten Schritt zu machen, ist nicht immer klar, wie es weitergeht. Vor allem, wenn man neue Wege probiert, gibt es nicht immer so viele Infrastukturen wie Venues oder Journalisten, die unsere Arbeit unterstützen würden.
5. Was können Sie anderen für Tipps geben und wo wollen Sie selbst noch mehr Erfahrung sammeln?
Es ist wichtig Leute kennenzulernen und ihnen mitzuteilen, was man macht: Hallo, es gibt mich! Ich überlege gerade, wo wir A N I T R A in der Zukunft auftreten lassen können, sodass wir mit dem Ensemble auch reisen können und mehr spielen. In diesem Zuge könnte man andere Dinge, die man nebenbei noch macht, auch mal absagen und sich mehr auf die Arbeit mit dem Ensemble konzentrieren. Gerade werden wir von verschiedenen Stiftungen gefördert, was aber auch viel Arbeit bedeutet. Gelder zu akquirieren und zu verwalten ist eben nicht besonders kreativ, sondern mühselig, aber es gehört dazu. Ein Tipp: einfach machen, an sich glauben und nicht so viel darüber nachdenken, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Wir sind damit jetzt schon ziemlich weit gekommen.
6. Was erhoffen Sie sich vom CTC?
Ich erhoffe mir mehr Erfahrung sammeln zu können in der Vermarktung des Ensembles. Das Schreiben ist auch anspruchsvoll, was schreibt man, kurze oder lange Texte, in Englisch und auf Deutsch. Wie tritt man an Fördergeber heran, um Fördermöglichkeiten und Spielstätten zu akquirieren? Man muss das alles lernen. Auch, dass man nicht traurig sein muss, wenn sich dann jemand mal nicht zurückmeldet.
7. Gibt es einen Plan B, falls das Projekt keinen Erfolg hat?
Momentan sind wir dabei, A N I T R A zum vollen Leben zu erwecken. Wenn A N I T R A ein Mensch wäre, dann wäre sie jetzt vielleicht in der Pubertät, um die 13 oder 14 Jahr alt. Ich mache mir gerade nicht so viele Gedanken über Erfolg, sondern über die nächsten wichtigen Schritte bis zur Volljährigkeit. Natürlich möchte ich Anerkennung und letztendlich auch Engagements mit dem Ensemble, aber ich glaube fest daran, dass ein Projekt, in dem sehr viel ehrliche Hingabe und Leidenschaft stecken, erfolgreich sein wird, wenn zur richtigen Zeit auch an den richtigen Ort gedacht wird.
8. Was sind langfristige Pläne für die Entwicklung Ihres Ensembles? Was haben Sie für Ziele?
Das Ziel ist es, mit der Gruppe 2017/18 nach Japan zu reisen. Bisher hat Martina ausschließlich mit selbstgemachter schwarzer Tinte auf Reispapier gemalt und die Verknüpfung mit Kalligraphie liegt sehr nahe, obwohl das nie wirklich unsere Intention war. Und wenn man jetzt noch den Hintergrund der Ikonographie hinzunimmt, könnte man sagen, es ist unsere eigene Art der Sprache und des Ausdrucks. Wenn man sich mal eine Performance anschaut, ist das wie eine eigene Schrift. Ich fände es wahnsinnig spannend nach China und Japan zu gehen, wo es tatsächlich so eine Schrift gibt und zu sehen, wie die Menschen darauf reagieren. Die Leute, bei denen wir immer das Reispapier in Berlin kaufen, kennen uns und waren auch einmal auf einer Performance. Die waren total gerührt. Außerdem möchte ich in nächster Zeit eine Residency bekommen, um mehr Zeit zu haben und experimentieren zu können. Oder eine Stiftung finden, die auch bereit ist Honorare zu zahlen. Ich finde, dass diese Gruppe auf jedenfall Potenzial hat.
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