Judith Raum: Textiles:_Open letter
Judith Raum: Textiles:_Open letter
Haben Textilien als eine der ältesten Kulturtechniken immer schon eine wichtige, bisher gleichwohl oft unterbewertete Rolle in der Kunst gespielt, lässt sich in der zeitgenössischen Kunst seit geraumer Zeit eine Neubewertung des Textilen als Material, Metapher und Technik beobachten. TEXTILES: OPEN LETTER widmet sich in einer Reihe von Gesprächen, Ausstellungen, Seminaren und Präsentationen der Aktualität des Textilen und deren Verankerung in einer Kunst- wie auch Sozialgeschichte.
In der ersten Veranstaltung in Leipzig wird Seth Siegelaub als einer der wichtigsten Kuratoren für eine frühe Konzeptkunst der 1960er und 70er Jahre über seinen Zugang zu Textilien und das von ihm gegründete Center for Social Research on Old Textiles (Amsterdam) sprechen, dessen spezifischer Fokus neben der Sammlung von Textilien auf Büchern über Textilien liegt.
Wie auch Seth Siegelaub verbindet die in Berlin lebende Künstlerin Judith Raum in ihren künstlerischen Recherchen zu Textilien politische, ökonomische und soziale Aspekte mit material-ästhetischen Fragestellungen. In ihrer Lecture-Performance „harmless entrepreneurs“ (2011) geht Judith Raum anhand der Geschichte der Bagdadbahn, in die u. a. die Deutsche Bank als Finanzier involviert war, auf die Auswirkungen der deutschen Finanzpolitik, auf die kulturellen Beziehungen zwischen deutschem und osmanischem Reich sowie die damit einhergehende Expansion des Textilhandels ein und übersetzt diese ausgehend von Malerei in eine Auseinandersetzung mit materiellen und performativen (Träger-)Strukturen.
mit Judith Raum (Künstlerin) und Seth Siegelaub (Center for Social Research on Old Textiles)
TEXTILES: OPEN LETTER: 29. Juni 2012 um 19 Uhr (in englischer Sprache)
Ort: Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Studio International, Wächterstraße 11, 04107 Leipzig
Seth Siegelaub (*1941, Bronx, New York) war bereits als Klempner, Kunsthändler, Verleger und unabhängiger Ausstellungsmacher tätig. Seine Forschung ebenso wie seine kuratorischen Projekte sind stark von einer politischen Haltung geprägt. Als Förderer und Kurator einer frühen Konzeptkunst der 1960er und 1970er Jahre arbeitete er mit Künstlern wie Carl Andre, Robert Barry, Douglas Huebler, Joseph Kosuth und Lawrence Weiner zusammen und entwickelte wegweisende Formate für Ausstellungen und Publikationen, die bis heute zu den wichtigsten einer jüngeren Ausstellungsgeschichte zählen. 1972 zog Siegelaub nach Paris, wo er das International Mass Media Research Center gründete und linke, kritische Schriften herausgab. Parallel begann er bereits in den frühen 1980er Jahren Textilien und insbesondere Textilbücher zu sammeln und gründete zur weiteren Erforschung des Textilen 1986 das Center for Social Research on Old Textiles in Amsterdam. 1997 erschien die von ihm zusammengestellte und herausgegebene Bibliographica Textilia Historiae, die erste bibliographische Sammlung zur Geschichte der Textilien, die online mittlerweile über 9.000 Einträge verzeichnet. 2012 wurde seine Sammlung erstmals bei Raven Row in London ausgestellt.
Judith Raum (*1977) studierte Freie Kunst, Philosophie, Kunstgeschichte und Psychoanalyse in Frankfurt/M und New York. In ihrer Arbeit verbindet sich die Herstellung von Objekten und Bildern mit historisch spezifischen Recherchen, die zu lecture performances, Installationen und Filmen arrangiert werden. Sie schreibt regelmäßig Texte für eigene Publikationen und für Kunstmagazine und unterrichtete u. a. an der Universität der Künste Berlin, wo sie derzeit Stipendiatin der Graduiertenschule für die Künste und die Wissenschaften ist. Aktuelle Ausstellungen umfassen Kunstverein Langenhagen, Kunstpavillon Innsbruck (2012), The Return Dublin, uqbar Berlin (2011), Ludlow 38 New York City, depo Istanbul (2010), The 11th Istanbul Biennale parallel events (2009), Frankfurter Kunstverein, platform Garanti Istanbul (2008), Samsa Berlin (2007), Bunkier Sztuki Krakau (2006) und Kunstmuseum Bonn (2005).
TEXTILES: OPEN LETTER ist ein zweijähriges Forschungs- und Ausstellungsvorhaben (2012-2013) von Rike Frank (Leipzig) und Grant Watson (London) in Koopration mit Sabeth Buchmann (Wien) und Leire Vergara (Bilbao).
Gefördert von der Allianz Kulturstiftung und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Foto der Lecture-Performance “harmless entrepeneurs” (Judith Raum, 2011: Giulia Del Piero