Screening und Künstlergespräch "Straub"

SCREENING:
S T R A U B
Malerei-Kinofilm von Stefan Hayn, 2006-2014, 72 min
mit Textzitaten aus Danièle Huillet »Appunti sul giornale di lavorazione di Gregory« und Robert Antelme »L’espèce humaine«
Kamera: Bernadette Paaßen und Knut Schmitz
Ton: Klaus Barm
Musik: Egidius Streiff/Paul Hindemith Übungen für Geiger und Tomas Bächli/Claude Debussy Douze Études
Sprecher/innen: Stéphanie Mohnhaupt, Marianne Hayn, Anja-Christin Remmert und Markus Nechleba

Screening mit anschließendem Gespräch zwischen Dr. Astrid Mania (freie Kritikerin, Berlin) und Stefan Hayn 

Wann?
Freitag, 20. Januar 2017, 20 Uhr

Wo?
Kienzle Art Foundation
Bleibtreustraße 54
10623 Berlin

mehr Informationen
 
Im Rahmen der Ausstellung Whose Propitious Garden is This?
Ausstellung: 26. November 2016 – 28. Januar 2017

 

 

B.R.: Ist S T R A U B ein Dokumentarfilm genau über die Grenzstelle zwischen fotografischem Zeitalter und dem Zeitalter davor, wobei das nicht nur ins frühe 19. Jahrhundert zu datieren wäre, sondern ständig neu zu markieren ist?
S.H.: Ich weiß nicht. Wichtig ist die Bewegung, die der Film macht. Welche Bewegung geht nach vorn, und welche geht zurück? Wie treffen Einstellungen aufeinander?
B.R.: Kannst du die Bewegung benennen?
S.H.: Wie im Leben. Ein Moment ist vergangen, auch wenn er erst vor fünf Minuten war, er ist doch vergangen. Man kann sich als Mensch aber erinnern. Damit ist diese Vorwärts- und Rückwärtsbewegung angelegt. Das bringt Abstraktions- und Symbolisierungsfähigkeiten mit sich, aber auch viele Ängste.
B.R.: Es gibt verschiedene Elemente in S T R A U B: einen eingelesenen Drehbericht, einen eingelesenen Text von Robert Antelme. Deine gemalten Bilder sehe ich an der Stelle von Außenaufnahmen oder gar Inszenierungen. Allerdings gibt es auch gespielte Elemente. Du spielst selbst mit.
S.H.: Ich trage ein Bild durch die Gegend, ja, mit einem festgeschraubten Christustorso. Das ist ein spezielles Bild, weil das gemalte Grünewald-Bild, auf das es sich bezieht, quasi verkörperlicht und verräumlicht ist. Dieser tote Körper, der am Bild hängt, stand lange bei meiner Mutter auf dem Dachboden. Eine Verwandte hatte mich nach Colmar mitgenommen, danach habe ich mit vierzehn dieses Ding gebastelt. Man sieht ja, dass es sehr schwer ist, dass ich es wahrscheinlich loswerden möchte. In diesen Filmsequenzen wird das Zusammengefügte, das du aufzählst, vielleicht noch auf einer anderen Ebene spürbar. In Dahlienfeuer gibt es auch einen Moment, in dem eine Blume quasi eine Eigenbewegung macht. Das ist so ein Moment, ohne dass ... Ich lass das mal so stehen.
B.R.: Ohne dass?
S.H.: Ohne dass man es auf den Begriff bringt. Nicht jedes absichtslos gemachte Bild kann diesem Anspruch genügen. Wenn ich mich auf ein Bild oder viele Bilder, die ein Mensch gemacht hat, einlasse und das Bilder sind, die eine gewisse Intensität haben, kann ich unterschiedlich damit umgehen. Man kann sich distanzieren, man kann es auf einen Begriff bringen, damit hat man sich auch ein Stück distanziert, oder man kann es an sich heranlassen. Das wären weitergehende Berührungen, die auch eine Veränderung bei einem selbst nach sich ziehen. Das ist eine Frage der Bereitschaft und auch von anderem. Vielleicht geht es im Film S T R A U B um die Veränderungen, die so ein Werk nach sich zieht, wenn man sich darauf einlässt. Dahinter steckt sicher auch die Frage, welche Veränderungen menschliche Begegnungen überhaupt bei einem auslösen dürfen – beispielsweise über Bilder.
 
aus ”Bildnerische Vorgehensweisen – Ein Gespräch von Bert Rebhandl mit Stefan Hayn über Dokumentarfilm  und die Genauigkeit der hergestellten Relationen«, kolik.film, Oktober 2016