A Word of Warning
Die eine Welt, die Du kanntest, hat es nie gegeben. Es gab immer schon mehr als bloß eine, und die war nur ein Traum. Willkommen in den Wirklichkeiten. Warnung: es geht an die Substanz. Hinweis: Es kann noch viel passieren.
Die Stipendiat*innen und Assoziierten der Graduiertenschule Yalda Afsah, Neslihan Arol, Anthony Green, Rindon Johnson, Mariam Mekiwi, Didem Pekün, Romily Alice Walden präsentieren Performances, Screenings, Installationen und Gespräche. Kurator: Jan Verwoert.
Ein Projekt der Graduiertenschule der Universität der Künste Berlin.
Wann?/ Wo?
19.09. 19:00 Uhr Vernissage, Performance Anthony R. Green
21.09. 19:00 Uhr Filmvorführung
22.09. 11.30 Uhr Workshop mit Neslihan Arol
22.09. 18:00 Uhr Diskussion/ Finissage
Öffnungszeiten: 20.-22.09.: 13 bis 20Uhr
Spike Berlin
Rosa Luxemburgplatz Berlin
Rosa-Luxemburg-Straße 45
10178 Berlin
Rollstuhlzugang ins Spike Berlin/ Yvonne Lambert über Eingang Almstadtstraße 52 (graues Tor) durch den Hof. Es gibt im Gebäude nebenan, im Belushi's, barrierefreie Toiletten. Der Veranstaltungsort ist in der Nähe der Station Rosa-Luxemburg-Platz (kein Aufzug). Die nächste rollstuhlgerechte Station ist Alexanderplatz (~ 850m). Es gibt Sitzgelegenheiten mit Rückenlehne. Es wird kein Ausweisdokument benötigt. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an bas3@intra.udk-berlin.de.
Konzept
Ein Wort der Warnung
Erwarte keinen Kommentar. Diese Kunst hechelt dem Lauf der Dinge nicht hinterher. Hinter der Achterkugel wird keine Handpuppe mit Kulleraugen hervorschauen und ihre Einschätzung der verfahrenen Lage anbieten, in der sich die Welt befindet. Warum würden sich Handpuppen auch je damit begnügen, auf Dinge bloß zu reagieren, wenn sie Wirklichkeiten formen können. Ich meine formen, nicht fälschen. Großer Unterschied. Träume eilen Ereignissen voraus, sie lassen dich sehen, was geschehen wird und wie dem Schicksal vielleicht noch eine andere Wendung zu geben wäre. Handpuppen vermögen, den eindringlichen Visionen und Vorahnungen, die dir der sechste Sinne fürs Surreale eingibt, eine Stimme zu verleihen. Ein traditionelles Beispiel dafür ist das Schattenspiel, es verwandelt flache Puppen auf Stöcken in belebte Zeichen zur Mitteilung von Wahrheiten, die anders gar nicht auszusprechen wären. Vogelflug am Himmel beobachtend, sahen die Auguren alter Zeiten klar den Schatten, den die Zukunft auf die Gegenwart wirft. Manche Comedians von heute erkennen mit derselben Genauigkeit, welche Entwicklungen sich am Horizont politischer Debatten abzeichnen. Es braucht ein gutes Auge fürs Absurde, um die Simulakren zu durschauen, die die Herrschenden am Ort (und anstelle) der Wirklichkeit errichten, und zu den Regionen geteilten Lebens vorzustoßen, in denen Monster geboren werden. Ein russischer Kollege hat mir den derzeit lustigsten Witz in seiner Sprache erzählt: Was passiert, wenn im Wald ein Auto brennt? Ein Bär kommt vorbei, setzt sich rein und stirbt.
Erwarte keine falsche Höflichkeit. Diese Kunst ist ausgesprochen direkt. Sie wird gemacht von den Nachfahren von Unterwasservölkern mit mehr als einer Mutter, auf der Suche nach neuen Wegen, Körper ins All zu bringen. Diese Kunst spricht all die Frösche an, die in VR Kneipen an der Theke stehen, weil es wert ist, zu wissen, auf wessen Seite diese ganzen Kermits stehen. Diese Kunst gibt dem Kameraauge einen Leib und bewegt sich im Rhythmus des Ansteigens und Abebbens von Adrenalin in den Adern junger Männer, die, wie magnetisiert, das Kommen und Gehen eines unsichtbaren Monsters verfolgen. Niemand hat bisher vollständig feststellen können, wozu Körper in der Lage sind; also stellt diese Kunst alle zur Rede, die fatale Vorstellungen von leiblicher Leistungsfähigkeit verbreiten. Diese Kunst lässt nicht zu, dass die schiere Anzahl der Männer, die auf US-amerikanischen Straßen von Gesetzeshütern erschossen werden, uns von dem Grund ihres Todes ablenkt. Diese Kunst trauert. Es kann sein, dass die vielen Stimmen dieser Kunst einen merkwürdigen Klang an sich haben. Das liegt daran, dass sie mit gutem Glauben voluminöse Begierden ansprechen.
Voluminöse Begierden attackieren den hohlen Fetisch der Macht, der den Zugang zum Realen versperrt. Präsidenten und Premierminister entscheiden heute Wahlen, indem sie Politik zu einem Witz machen, den jeder versteht. Der Bluff ist eine anerkannte Hausmarke. Besser die Lüge, die du kennst, als der Vertrag, den du fürchtest. Mit Augenzwinker-Pessimismus immunisieren sich Konservative gegen guten Glauben, seit Hobbes ihr Motto geprägt hat: „Wölfe würden Top-Down-Management wählen. Wollen wir es nicht alle?“ Ich habe einmal einen Coyoten gesehen, der mich vom Unterholz aus beobachtete. Sein stechender Blick wirkte auf mich nicht so, als ob er sich nach einer starken Hand umsah. Hält man sich an das, was besagtem Bär im Wald widerfährt, dann ist wirkliches Lachen nicht verpflichtend: Manche der besten Witze der Welt sind an sich echt nicht komisch, also zwingen sie nicht zum Mitlachen. Solltest du trotzdem irgendwann kichern, liegt es vielleicht daran, dass du das Schicksal des Bärs nachempfinden kannst und weißt, was es heißt, sich Ärger einzuhandeln. Wenn voluminöse Begierden die schlechte Ehe scheiden zwischen der wahren Liebe zum Absurden und dem elenden Fatalismus, den Autokraten ausbrüten, dann verwandeln sie vielleicht die Affinität zum Düsteren in besondere Hellsichtigkeit. Erwarte nicht, dass die Kunst in dieser Ausstellung irgendwen von der Notwendigkeit erlöst, auf Veränderung zu drängen. Aber vertrau darauf, dass sie dich auf diesen Drang einstimmt.