Judith Raum
objects as situations
In ihrem Projekt “objects as situations” beschäftigt sich Judith Raum als bildende Künstlerin und von einer philosophischen Perspektive aus mit der Frage, wie sich eine nicht-instrumentelle Beziehung mit der Welt in der Materialbeschaffenheit, Oberflächenbeschaffenheit und Anordnung von hergestellten Dingen und Artefakten äußert.
In ihrem Projekt objects as situations beschäftigt sich Judith Raum als bildende Künstlerin und von einer philosophischen Perspektive aus mit der Frage, wie sich eine nicht-instrumentelle Beziehung mit der Welt in der Materialbeschaffenheit, Oberflächenbeschaffenheit und Anordnung von hergestellten Dingen und Artefakten äußert.
Es geht um die Beziehungen zwischen Subjekten, die fixe Objekte in ihre Lebensvollzüge, also in sich in der Zeit ausdehnende Prozesse integrieren, und zwischen Objekten mit bestimmten materiellen, sinnlichen Qualitäten, die Abdrücke von Handlungen und Denkvorgängen aufweisen können.
Die Frage nach der Art der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt erhält Dringlichkeit, wenn man den Kontakt mit der materiellen Welt mit der Möglichkeit der Produktion von Subjektivität, mit Selbstermächtigung und mit der Öffnung hin zum Zukünftigen verbindet, wie es Denker wir Félix Guattari oder Antonio Negri vorschlagen.
Judith Raum wird das Themenfeld zunächst in einer schriftlichen Arbeit von philosophischer Seite reflektieren und mit Beispielen aus der Film- und Kunstgeschichte und Phänomenen der Alltagskultur illustrieren.
Aufbauend auf den Texten und Überlegungen für dieses Buch wird sie anschließend einen filmischen Essay erarbeiten, der die Gedanken zur Beziehung zwischen festem Objekt und Prozesshaftigkeit auf eine konkrete Historie bezieht: Produktionsbedingungen und unterschiedliche materielle Welten im Rahmen der Beziehungen zwischen dem deutschen und dem osmanischen Reich zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
1888 beauftragte das Osmanische Reich eine Gesellschaft unter Leitung der Deutschen Bank und mit Beteiligung deutscher Baufirmen mit dem Bau der Anatolischen Eisenbahn – eine die heutige Türkei durchquerende Bahnlinie, die bis an die Ölfelder nach Bagdad reichen sollte. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs richteten sich die Ideen und Initiativen deutscher Unternehmer auf eine umfassende Nutzung der Resourcen und Märkte Anatoliens. In Archiven in Deutschland, England und der Türkei sammelt Judith Raum seit 2009 Bildmaterial und Korrespondenzen, die diese wirtschaftsimperialistischen Unternehmungen Deutschlands, ihre Sprache und Bildpolitik dokumentieren. Vor allem aber geht es ihr um das Auffinden von Momenten von Improvisation und provisorischen Lösungen innerhalb der Erfolgsgeschichte der ingenieurstechnischen und unternehmerischen Instrumentalisierung von Material und Landschaft.
In lecture performances wie talking objects (2010) oder harmless entrepreneurs (2011) greift sie narrative Fäden aus dem Themenkomplex zur Bagdadbahn auf, um die profitorientierte Expansion des deutschen Reiches in Anatolien mit anders gearteten Produktionsformen zu konfrontieren, die mit ihr verbunden sind und teilweise mit ihr kollidieren.
Im Verlauf der lecture performances werden Trägerstrukturen, Erzählerstimen, Archivmaterialien und eigene Objekte zu provisorischen Installationen arrangiert.
Auf Reisen an Orte entlang des Streckenverlaufs der Bagdadbahn hat sich Judith Raum bisher auf Momente der Aneignung und Umfunktionierung von deutschem Importmaterial durch die lokale Bevölkerung konzentriert.
Kurzbiografie
Judith Raum (*1977) ist bildende Künstlerin und lebt in Berlin. Sie studierte Freie Kunst in Frankfurt/M. und New York City sowie Philosophie, Kunstgeschichte und Psychoanalyse in Frankfurt/M. In ihrer Arbeit verbindet sich die Herstellung von Objekten und Bildern mit historisch spezifischen Recherchen, die zu lecture performances, Installationen und Filmen arrangiert werden.
Sie schreibt regelmäßig Texte für eigene Publikationen und für Kunstmagazine und unterichtete von 2007 bis 2011 mit einem Lehrauftrag an der Universität der Künste Berlin. Seit 2010 spielt sie außerdem mit der Berliner Band ACO.
Judith Raums Arbeiten waren unter anderem bei The Return Dublin, uqbar Berlin (2011), Ludlow 38 New York City, depo Istanbul (2010), The 11th Istanbul Biennale parallel events (2009), Frankfurter Kunstverein, platform Garanti Istanbul (2008), Samsa Berlin (2007), Bunkier Sztuki Krakau (2006) und Kunstmuseum Bonn (2005) zu sehen. 2010 erhielt sie den Preis für gute Lehre an der Universität der Künste Berlin, war 2009 Fellow an der Sommerakademie im Paul Klee-Zentrum, Bern, sowie 2008 artist in residence bei Platform Garanti, Istanbul und erhielt von 2007-2008 mehrere Projektstipendien durch den Berliner Senat, das Auswärtige Amt Berlin und private Stiftungen für ihre Bibliotheksprojekt in Prishtina, Kosovo.