Georg Dickmann

Promotionsprojekt

Pharmakofictions.
Wissen und Politik prekärer Substanzen in Philosophie und zeitgenössischer Science Fiction

Das Dissertationsprojekt untersucht anhand zeitgenössischer Science Fiction von Neil Bloomkamp, Dietmar Dath, Vladimir Sorokin, Leif Randt u.a. die Verschränkungen von Fiktion und Biopolitik im Horizont aktueller Debatten um den Posthumanismus.

Die Untersuchung folgt dabei der ambiguen Logik des ‚Pharmakons’ und analysiert ausgehend von den Wissensordnungen der Biopolitik und der Pharmakologie die Funktionsweisen, Wirkungen und Nebenwirkungen der Gifte und Heilmittel zeitgenössischer Science Fiction. Die Ambivalenz des Pharmakons zeichnet sich dadurch aus, dass es sowohl heilende Arznei als auch letales Gift sein kann. Pharmaka agieren somit auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, Lähmung und Stimulanz sowie Natur und Kultur. Diese Schwellen will das Dissertationsprojekt anhand ausgewählter Fiktionen ausfindig machen und ihre Funktionsweisen herausarbeiten. Von Philip K. Dicks „Substance D“, über die Pillen und Wahrheitsseren bei Matrix zu Leif Randts Kollektivdroge „Magnon“ wimmelt es in der zeitgenössischen Science Fiction von prekären Stoffen und eigentümlichen Substanzen, die einen versteckten aber auch strategisch wichtigen Platz einnehmen. Sie infiltrieren, penetrieren, kontrollieren und produzieren den Einzel-, aber auch den Kollektivkörper und rufen zwangsläufig Thematiken der Biopolitik auf den Plan. Eine Pharmakologie der Science Fiction eröffnet demnach neue Perspektiven auf die filmischen und literarischen Verarbeitungen der Subjektivierung und Desubjektivierung durch heilende, giftige, erregende oder sedierende Substanzen. 

Das Forschungsprojekt folgt der These, dass in den ausgewählten Fiktionen die Herstellung und Zerstörung von Subjektivität nicht (mehr nur) über äußere Architekturen, sondern vielmehr über innerkörperliche Wirkungsweisen geschieht. Mein Projekt zeichnet demnach erstens die Miniaturisierung bzw. Internalisierung von Machttechniken durch Drogen, Nanopartikel, Moleküle, Hormone und andere prekärer Substanzen nach. Zweitens werden die Dimensionen des Pharmakologischen und die damit verbundenen Macht,- und Regierungspraktiken der Science Fiction sichtbar gemacht. Im Fokus steht die utopische bzw. dystopische Fiktion als poetisches Testgelände für Zukunftsentwürfe und als impliziter Artikulationsraum von Experimentalwissen. Die ausgewählten Fiktionen fungieren demnach im Analyseprozess als ein epistemisch-ästhetisches Reflexionsmedium, in dem chemisches, biologisches und philosophisch-politisches Wissen diskursiviert und durch spezifisch poetische Verfahrensweisen transformiert wird.  Mein Forschungsbestreben richtet sich zum einen darauf, eine Poetik der prekären Stoffe und Substanzen zu entwickeln, die gesellschaftspolitische, epistemologische und fiktionale Elemente aufnimmt und weitertreibt und zum anderen soll die Untersuchung die Diskussion um Topoi der zeitgenössischen Science Fiction erweitern.

Vita

Georg Dickmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am DfG-Graduiertenkolleg „Das Wissen der Künste“ und promoviert dort mit einer Arbeit zu „Pharmakofictions. Wissen und Politik prekärer Substanzen in Philosophie und zeitgenössischer Science Fiction“. Georg Dickmann hat davor 2007 bis 2014 Deutsche Philologie, Allgemeine vergleichende Literatur und Philosophie in Düsseldorf und Berlin studiert. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitet er als freier Journalist und ist seit März 2017 bei „diffrakt. Zentrum für theoretische Peripherie“ als Theoriekurator tätig.

Publikationen

„Zur Ästhetik des Monströsen in Franz Kafkas ‚Eine Kreuzung’“, in: Bolschakowa / Tulkibajewa (Hrsg.): Probleme der Didaktik und pädagogischer Praxis, Sankt-Petersburg 2012. (auf Russisch)

„Oszillationen der Wahrheit: Eine kurze Untersuchung zu Friedrich Nietzsches ‚Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne’“, in: Bolschakowa / Tulkibajewa (Hrsg.): Aktuelle Untersuchungen und Perspektiven der Didaktik, Tscheljabinsk 2012. (auf Russisch)

„Gibt es das Nichts?“ in: The Germans. Das Politik und Zeitgeist Magazin (4), Berlin 2013, S. 14–16. 

„So tun, als ob. Ein Theorieschnipsel zum Spekulativen Realismus“, in: Die Epilog. Zeitschrift zur Gegenwartskultur (5), April 2016, S. 98–101. 

„Zeitkomplex, Postcontemporary“, 25.05.2016.

„Zurück nach Miami“, Onlinerezension zu Armen Avanessian: Miamification, Berlin: Merve Verlag, 2017.

Stuttering Images“, in: Mika Schwarz (Hrsg.): Rechnender Raum (What isn’t broken may never be fixed), angekündigt für 2019.

„Von anderen Zukünften zeugen“, in: Katinka Schuett: Cosmic Drive, Berlin 2018.

Vorträge

„‚RHIZOMATIK = RATTENMEUTE = REVOLUTION’. Kleine Kulturgeschichte eines Parasiten", Galerie Sprechsaal Berlin, am 06.07.2015.

„Politische Figurationen der Europäischen Union“, Panelgespräch zu Jacques Derridas „Das andere Kap“ mit Dennis Pohl und Gerrit Wegener, Vortragsreihe „un-stable.eu“, Kunsthalle am Hamburger Platz, Kunsthochschule Weißensee Berlin, am 23.10.2016

„Was ist Pharmakofiction?“, Ausstellung und Veranstaltungsreihe „Pharmakos/n. Ein Apparat“ in den Uferstudios Berlin, am 01.09.2017.

„Cyberjunk-Science-Fiction. Pharmaka, Drogen und prekäre Substanzen gegenwärtiger Zukunftsfiktionen“, Jahrestagung „Wirklichkeiten und Weltenbau“ der Gesellschaft für Fantastikforschung an der Universität Wien, am 23.09.2017.

„Narcopolis 2049. Was bleibt nach dem pharmakopolitischen Regime?“, Pre-enactment der fiktiven Konferenz „Das kommende Verschwinden“ organisiert von Sebastian Blasius im „Schwere Reiter-Theater“ in München, am 07.10.2017. 

„Mit dem Körper spekulieren. Paul B. Preciados molekulares Aufbegehren“, Workshop: „Feminist speculations with strange bedfellows“ von Marie-Luise Angerer und Naomie Gramlich, im Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften (ZeM), Potsdam, am 28.06.2018.

„The Shimmer out of Space. Zwei verwandte Spekulationen in H.P. Lovecrafts ‚Die Farbe aus dem All’ und Alex Garlands ‚Auslöschung’, Jahrestagung: „Techniken der Fantastik“ der Gesellschaft für Fantastikforschung an der Universität Freiburg (Schweiz), am 06.09.2018.

Lehrveranstaltungen

Seminar: „Biopolitische Verschränkungsfiguren: Die Regierungen des Lebens in Architektur und den Künsten “ zusammen mit Dennis Pohl, UdK Berlin, WS 16/17