Dr. Anne Keller

Promotionsprojekt

Das nationalsozialistische Laienspiel. Theaterpädagogik als Propagandainstrument in der Hitler-Jugend

In der jungen Disziplin der Theaterpädagogik stellt die theaterpädagogische Historie bis dato ein nahezu blütenrein-weißes Feld dar. Die nationalsozialistische Laienspielpraxis, die einen instrumentalisierenden und okkupierenden Zugriff sowohl auf die bereits vor 1933 bestehenden Laienspielstrukturen, als auch auf Theorie und Praxis des Laienspiels und die Ausbildung von „Spielleitern“ ausübte, steht im Forschungsfokus und drängt eine kritische Auseinandersetzung mit unserm heutigen Fachverständnis auf.
Zwischen 1933 und 1945 wurde in der Hitler-Jugend (HJ) das Laientheaterspiel zu politischen und propagandistischen Zwecken im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung instrumentalisiert. Verschiedene Fachpublikationen, die speziell die Sonderformation der „HJ-Spielscharen“ adressierten, geben durch historisch-diskursanalytische Befragung Aufschluss über die Programmatik des nationalsozialistischen Laienspiels: Praktisches Wissen des jugendbewegten Laienspiels wurde – mit neuen Zielstellungen verknüpft – in die nationalsozialistische Laienspielarbeit übernommen. Besonders die „HJ-Spielscharen“, in denen musisch begabte Mädchen und Jungen zusammengefasst waren, hatten neben ihrem Propagandaauftrag auch die kulturelle Ausrichtung der Bevölkerung zu bewerkstelligen: Ihre mustergültigen Veranstaltungen zielten sowohl auf die Stärkung der (Dorf-)Gemeinschaft, als auch auf die Verwurzelung in der deutschen bzw. germanischen Kultur, den „Volkstumskampf“ und die Bekämpfung der Landflucht - um nur einige der gewünschten Ergebnisse von „Spielschar“-Veranstaltungen zu nennen. Die Ausbildung der Spielleiter, die überwiegend auf „Schulungslagern“ erfolgte, lehrte in einer Art kunstpädagogischer Allround-Ausbildung neben der Vermittlung von Laienspiel ebenso die von Musik, Tanz und/oder Erzählkunst.
Sowohl die theaterpädagogische Grundlagenforschung, als auch aktuelle Entwicklungen in der Praxis geben Anlass zur vorliegenden Untersuchung: Das zunehmende Interesse von Wirtschaft und Bildungsinstitutionen an theaterpädagogischen Ansätzen und Methoden erfordert die Schärfung des Fachverständnisses und des Verantwortungsbewusstseins der nachrückenden Praktiker-Generation.




Vita

2005-2012: Arbeit als freischaffende Theaterpädagogin und Regisseurin, Lehrtätigkeiten an der Universität Siegen und der Hochschule Osnabrück
2002-2005: Studium der Theaterpädagogik an der Hochschule Osnabrück
1998-2002: Studium der Sonderpädagogik an der Universität zu Köln

Publikationen

Wurzelbehandlung – Theaterpädagogik zwischen 1933 und 1945 in Deutschland, in: Zeitschrift für Theaterpädagogik 26 (2010), S. 20-22.

„Der ‚ausgerichtete‘ Zuschauer. Zu den Propagandaaufgaben der HJ-Laienspielscharen“, in: Barz, André / Paule, Gabriele (Hg.): Der Zuschauer. Analysen einer Konstruktion im theaterpädagogischen Kontext, Berlin: LIT Verlag, 2013, S. 183–216.

Vorträge

20./21.09.2013: Präsentation auf dem "Basar theaterpädagogischen Wissens" im Rahmen der "Ständigen Konferenz Spiel und Theater an Hochschulen" an der UdK Berlin

Lehrveranstaltungen

01.-03.02.2014: Seminar "Der Chor in Theater und Musik. Explorationen in Theorie und Praxis" an der UdK Berlin, Fakultät Darstellende Künste, gemeinsam mit Marion Haak

WS 2013/14: Unterrichtsauftrag im Modul "Archäologie der Theaterpädagogik" am Institut für Theaterpädagogik, HS Osnabrück