Annalou Meyer, „D.O.A. – Digital Opera: Antikrist“, 2025
Die Arbeit ist ein Bühnen- und Regiekonzept für eine Opernperformance,
eine zeitgenössische Adaption des dystopischen Stoffes von
Rued Langgaards Oper „Antikrist“ (geschrieben 1923, uraufgeführt
1980). Das Thema ist die sich verselbständigende Überdigitalisierung
als die 11. Plage des Spätkapitalismus: Zerstörerischer Größenwahn
gepaart mit lethargischer Ichbezogenheit treiben den Zerfall der Zivilisation
voran. Wie ihr Vorbild ist „D.O.A.“ eine Aneinanderreihung
von Bildern, die kurz aufgerissen werden und im nächsten Moment
wieder geschlossen werden. Die Szenen bewegen sich in einer unmutigen
Parallelität zueinander, die jegliche Begegnung ihrer allegorischen
Figuren verhindert, obwohl sie in unmittelbarem dramaturgischen
Zusammenhang stehen. Auch die Bühnenteile scheinen
unantastbar und zweidimensional, wie aus einer unwirklichen Realität
entsprungen. Das Libretto von Langgaard dient als dramaturgische
Schablone: „Gott lässt den Antichristen auf unbestimmte Zeit
auf der Erde walten“ („Antikrist“, Prolog). In meiner Übersetzung
erscheint der Antichrist nicht als dämonische Chimäre, sondern als ein
„Anti DJ“, der den Ton vorgibt und klassische Musik mit digitalen Interpretationen
überschreibt. Es wird nicht gesungen, Sprache ist überholt
worden von vermeintlich wahrhaftigen Bildnissen, die trotz ihrer
Künstlichkeit Authentizität behaupten. Es erhebt sich kein Orchester
aus dem Graben, sondern eine Statisterie – im ersten Akt sind das eine
statische Partycrowd und gestresste einzelne Personen, die auf ihre
Handys fokussiert sich in einem Lichtstrahl übergeben. Im zweiten Akt
werden daraus Jünger*innen des „Tier[s] in Scharlach“, das faschistoides,
misogynes Gedankengut predigt.
Das Ende der Oper steht im Kontrast zum Original. Dort befreit Gott
nach der Apokalypse (hier ist es ein nuklearer Wintereinbruch) die
Menschheit vom Antichristen. Hier begeht Lilith von Babel Suizid (bei
Langgaard: „die Hure von Babel“) und erzwingt somit das Ende der
Zivilisation. Offen bleibt, ob es danach einen zyklischen Neubeginn
geben wird.
Annalou Meyer studiert Bühnenbild in der Klasse von Prof. Janina
Audick. www.annaloumeyer.de; @annaloumeyer