Eleni Manolopoulos, „Rot (Hunger) 7“, 2024
Liebe und Eros sind durch die negative Distanz, die durch sie erst eröffnet
wird, markiert. „Denn der geliebte Mensch ist der abwesendste
Mensch von allen, weil er nie nah genug sein kann“, schreibt der tamilisch-
deutsche Schriftsteller Senthujan Varatharajah in seinem Roman
„Rot (Hunger)“, 2022. Der eigene Körper markiert eine Grenze,
die an der absoluten Nähe zum Anderen hindert. Dieser Konflikt wird
symbolisch im Kannibalismus aufgelöst, da durch das Einverleiben des
Anderen diese physischen Grenzen überwunden werden können. Ein
Menschenesser (Anthropophagos) ist in diesem Sinne ein Liebender.
Die Liebe birgt also, nach Varatharajah, ein inhärent zerstörerisches,
negatives Potenzial. Erst durch die Markierung des Selbst und das
Setzen der eigenen Grenzen gibt es das Andere als die Negation des
Selbst. Diese Distanz zwischen dem Selbst und dem Anderem ermöglicht
wahre Nähe, die die Auflösung der gesetzten Grenze verlangt.
Meine Arbeiten zeigen Fotos meines Körpers. Sie zeigen ihn als
Objekt,
„als Fleisch geboren“, wie der Schriftsteller es formuliert. Sie
zeigen seine Grenzen. Die Linien und Wörter schneiden durch den
Körper. Sprache ist in ihrer Natur diskriminierend (unterscheidend)
und zieht Grenzen zwischen und um Entitäten. Versprachlicht ist
das Endliche, das Seiende, das Sterbliche. Das Nichtseiende verfügt
über keine Sprache, denn es hat keine Umrisse, keine Grenzen. Wörter
separieren und differenzieren, wie auch der Körper die Liebenden
trennt und zum ersten Mal wirklich einsam macht.
Eleni Manolopoulos studiert Bildende Kunst in der Klasse von
Prof. Christine Streuli, war Stipendiatin des Cusanuswerks,
der Dorothea-Konwiarz-Stiftung und bekam 2024 den Walter
Stöhrer-Preis für Druckgrafik. @eleni_manolopoulos