Shushiya Zhang, „Jenseits“, 2025
Wenn ich meine Augen schließe und in meine Träume eintauche, sehe
ich mich immer aus einer anderen Perspektive. In einem wiederkehrenden
Traum finde ich mich nach meinem Tod auf einem Flughafen.
Dort ist die Logik der Realität aufgelöst, alles ist in seltsame Farben
getaucht. Der Tod ist nicht dunkel, angstvoll oder endgültig. Er flackert
hell und lebendig mit einer rätselhaften Ironie. Diese surreale
Erfahrung ist die Inspiration für meine Arbeit.
„Jenseits“ erzählt die Geschichte einer personifizierten Rolex-Uhr,
die sich aus emotionalem Schmerz das Leben nimmt. Statt im Kreislauf
der Wiedergeburt findet sie sich als Reinigungskraft in einer Art
„Transitstation“ in einem imaginierten Weltraum.
Mein Projekt ist eine visuelle Erkundung und Reflexion über Lebensentscheidungen,
Tod und Wiedergeburt und zugleich ein technisches
Experiment. Während der Recherche habe ich mich mit den Vorstellungen
vom Tod in der tibetischen und Han-Kultur in China sowie
mit der Bedeutung von Symbolen in religiösen Kontexten beschäftigt
und viel über die Beziehung zwischen Tradition und Moderne nachgedacht.
Es war nicht nur eine philosophische Auseinandersetzung,
sondern auch eine Reflexion über die kulturellen Perspektiven meines
Heimatlands. Da gibt es das tibetische Konzept der sechs Reinkarnationsbereiche
oder die konfuzianische Vorstellung der spirituellen
Erhebung. Ich hingegen ziehe es vor, den Tod mit Humor zu betrachten
und ihm auf eine leichte Art zu begegnen. Meine Arbeit möchte
die Zuschauer zum Nachdenken anregen und ihnen auch die Absurdität
und Ironie darin zeigen.
Ich neige zu der Überzeugung, dass der Mensch sich nicht auf metaphysische
Glaubensvorstellungen verlassen sollte, um sich vor der
Verantwortung im Hier und Jetzt zu drücken. Wenn böses Handeln
von einer höheren Macht unendlich oft vergeben werden kann, bedeutet
das, dass wir unsere Verantwortung ignorieren dürfen? Diese
Frage steht im Zentrum meiner Arbeit. Ich glaube nicht an ein absolutes
Gleichgewicht von Tod, Wiedergeburt und unseren gegenwärtigen
Handlungen, aber ich denke, dass wir für unsere Entscheidungen
Verantwortung übernehmen müssen.
Am Ende meiner Arbeit stelle ich die Frage: Was unterscheidet uns
Menschen von Gegenständen? Wenn das Leben sein Ende erreicht,
kehren wir dann nicht alle in einen ursprünglichen Zustand zurück?
Es gibt keine endgültigen Antworten, aber ich hoffe, dass meine Arbeit
die Betrachter dazu anregt, über sich selbst, die Realität und das
Zusammenspiel von Tod und Entscheidung nachzudenken. Der Tod ist
nicht das Ende – er ist der Anfang des Denkens.
Shushiya Zhang studiert in der New Media Klasse von
Prof. Benjamin Maus. @Shushiya_zhangart