Ein Interview

Quelle: anonym

Interview mit Gerhard Braun

aus: Jahreskatalog des Studiengangs Architektur der UdK Berlin, 2003

 

 

Wir sind Ihnen als Studenten des Grundstudiums noch nicht begegnet. Was machen Sie?

GB Medienarbeit in der Architektenausbildung, ein wenig festgeschriebener Bereich. Ich bin als Architekt ausgebildet, war später an der Filmakademie in Berlin und habe dann noch Fotografie gemacht. Hier setze ich primär auf Architekturfotografie, das Erlernen des Umganges mit der Fotochemie und Fotografie für Entwurfsfächer.

 

Glauben Sie, dass die Fotografie im klassischen Sinne gegenüber der digitalen Fotografie und der Computersimulation an Bedeutung verliert?

GB Ich denke, dass das zwei verschiedene und sich ergänzende Bereiche sind. Die klassische Fotografie wird immer ein Bereich sein, in dem man nicht auf schnelle Verwertung setzt, sie ist eher autonom und hat einen höheren künstlerischen Anspruch. Das ist etwas anderes, als wenn man einen Entwurf ein Grundstück digital abbildet und damit arbeitet.

 

Ihr Werdegang ist im Sinne der Träume oder Vorstelllungen vieler Studenten klassisch. Wenn diese ein Architekturstudium beginnen, geschieht das sehr oft mit dem Gedanken, in verschiedene ästhetische und kulturelle Bereiche hineinzuschauen und später etwas anderes zu machen. War das Ihnen genauso?

GB Gute Frage, ja, das war in etwa so. Ich ahnte, dass ich nicht jemand sein würde, der später in einem Architekturbüro arbeitet oder selbst eines gründet. Natürlich habe ich in der Studienzeit und auch hinterher Entwürfe gemacht, parallel beschäftigten mich jedoch immer zwei oder drei andere Bereiche. Ich habe an der Filmakademie studiert und als Architekt, als Fotograf und auf Ausgrabungen in Syrien, Portugal und Spanien gearbeitet.

 

Unser Studium lässt uns wenig Zeit für andere Interessen. Glauben Sie, dass man den Studiengang umstrukturieren sollte, damit parallele Interessen der Studenten die Architektur befruchten können, bzw. es später möglich ist, andere Richtungen einzuschlagen?

GB Ich glaube nicht, dass man die Struktur als solche verändern muss, vielmehr sollte man seine eigene Haltung dazu überprüfen. Man sollte keine Angst haben etwas anderes auszuprobieren und vielleicht sogar riskieren, das Studium zu verlängern oder abzubrechen. Das Studium ist auch deshalb so attraktiv, weil es so anstrengend ist.

 

Sie sind Heidelberger, und seit dem Studium in Berlin geblieben. Ist das für Sie die Stadt zum Leben, zum Bleiben oder ein Zwischenbahnhof?

GB Ich wäre nicht mehr hier, wenn ich nicht festgestellt hätte, dass Berlin meine Stadt ist. Obwohl ich länger gebraucht habe, um hier Fuß zu fassen. Ich stelle immer wieder fest, dass Berlin mein Lebensmittelpunkt ist, obwohl ich auch viel in Süddeutschland und Frankreich unterwegs bin.

 

Was ist Ihr Kiez?

GB Ich bin in den knapp 40 Jahren die ich hier bin etwa 13 Mal umgezogen. Ganz Berlin hat mich immer interessiert, die Geschichte dieser Stadt lässt sich in der Architektur ablesen. Jetzt wohne ich in Charlottenburg, aber vorher war ich in einem ganz schlimmen Kiez, in Moabit. Dort hatte ich eine Galeriewohnung wo ich eine Art kleines Kino gemacht habe und ein bisschen Galerie, dort wollte ich anfangs nicht weg. Als ich dann weg wollte, habe ich keine Wohnung gefunden, bis dann die Wohnung kam, die ich immer gesucht hatte, hier, am Stuttgarter Platz. Das ist eine mittlerweile sehr beliebte Gegend, ein gemischter Bezirk mit sehr guter Wohnsituation und guter Infrastruktur.

 

Was kommt im Wintersemester?

GB Ich werde wieder ein Seminar über die Geschichte der Filmarchitektur anbieten.

 

Spiegelt die Architektur eines Films die der jeweiligen Zeit wider?

GB Das ist natürlich auch Thema. Aber es geht auch um die ganze Phantasiearbeit in der Architektur selbst, die sich wie zum Beispiel bei James Bond und Ken Adams ganz frei bewegt und dann wiederum auf die Architektur abfärbt. Oder der Expressionismus: Dort waren die Filmarchitekten Erfinder von Strukturen, die aber wiederum aus dem Zeitgeist gespeist wurden, und auch in der Malerei und der Architekturdiskussion vorhanden waren.

 

Also geht Filmarchitektur oft in dieselbe Richtung wie zeitgenössische Architektur, aber einen Schritt weiter?

GB Ja, das kann man so sagen, denn sie muss natürlich keine statischen Probleme lösen oder Qualitäten wie Belastbarkeit aufweisen. Trotzdem spielt auch die Frage der Permanenz eine Rolle, wenn man zum Beispiel heute Reste von Filmprojekten der 20er Jahre findet, die im Freien stattfanden, und wo die Relikte noch 50 Jahre später herumlagen. Obwohl es auch spannende Normierungen gab, wie man die Gerüste dieser Bauten immer wieder neu verwenden konnte, aber das zeige ich alles im Seminar.

 

Wenn ein Film über Sie in Berlin gedreht werden würde, vor welcher Kulisse würde er stattfinden?

GB Das ist schwer zu sagen. Bestimmt nicht vor Investorenarchitektur. Vielleicht in dem Kiez in dem ich wohne, da der eine gewisse Substanz und Permanenz hat, wo es noch diese schönen breiten Berliner Gehwege gibt und nicht unbedingt versucht wird, einen Solitärbau hinzustellen, der sich ganz entschieden anders definiert. Ab und zu führt das Ego von Architekten zu Lösungen in der Architektur, mit denen ich Schwierigkeiten habe. Es gibt sehr viele Plätze in der Stadt, wo ich mich wohl fühle, und andere, wo ich ganz schnell weitergehe.

 

 

Verwandte Themen