Durchdringungen – Freiräume, Städtebau, Architektur im Dialog

Prof. Dr. Matthias Noell

 

Das Seminar beschäftigt sich mit den räumlichen Konzepten der Nachkriegsmoderne in der Architektur, im Städtebau und in der Freiraumarchitektur. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Raumkonzepte von der programmatischen Öffnung des Innenraums zum Außenraum sowie dessen Einbeziehung in den Wohn- und Lebensraum bestimmt. Die gegenseitige Durchdringung von Baukörper und Umraum wurde durch die Schaffung von Transparenz, Flexibilität und Zirkulation herbeigeführt – Konzepte, die schließlich auch in den Stadtraum übertragen wurden.
Uns geht es dabei um die Frage der Relation der drei Disziplinen Architektur, Städtebau und Freiraumgestaltung: Wie beeinflusst das Außen, wird es als integraler Bestandteil der Gestaltungsaufgabe begriffen, den Entwurf des Inneren, dessen Funktionen und Abläufe. Oder umgekehrt gefragt: Was passiert in der Gestaltung des Freiraums, wird bereits der Innenraum als landschaftliche Komposition begriffen? Das dynamische Raumkonzept der Moderne basiert auf der Vorstellung des pulsierenden Raums, der gleichzeitig als Innenraum und Außenraum verstanden werden kann, und die herkömmlichen Grenzziehungen überwinden will. Auf der Ebene des Städtebaus konkretisiert sich dieses räumliche Paradigma unter der Form der Durchdringung von gebautem und unbebautem freien Raum. Skulpturale Solitäre werden in einem unbegrenzt dahinfließenden Freiraum angeordnet und bilden im Idealfall freie, harmonisch gewichtete Kompositionen.
Die Kooperation der Fachgebiete Architekturgeschichte + Architekturtheorie und Gartenkultur + Freiraumentwicklung möchte die räumlichen, funktionalen und ästhetischen Qualitäten der Konzeptionen und Projekte der Nachkriegszeit – auch gegen reaktionäre Vorwürfe einer angeblichen räumlichen Defizienz – gemeinsam analysieren und diskutieren.
Behandelt werden unter anderem Projekte von Alfred Caldwell / Ludwig Mies van der Rohe / Ludwig Hilberseimer, dem Team 10, Marcel Breuer / Isamo Noguchi sowie natürlich die zwei Berliner Paradebeispiele der Interbau 57 sowie des Kulturforums rund um Philharmonie und Staatsbibliothek.

 

Seminar, Mo 13:30-15:00, Raum 336 (BA Module 12/14 = 3 ects; MA Module 3/5 = 5 ects)
Einführung: 24. April 2017
Anforderungen: Regelmäßige Teilnahme, Referat, Hausarbeit

 

Literaturempfehlungen (ein Semesterapparat wird eingerichtet)

  • Birksted, Jan (Hg.): Relating Architecture to Landscape. London u. New York 1999/2005.
  • Giedion, Sigfried: Raum, Zeit, Architektur. Die Entstehung einer neuen Tradition [1941]. Ravensburg 1965.
  • Magnago Lampugnani, Vittorio: Die Stadt im 20. Jahrhundert. Visionen, Entwürfe, Gebautes. 2 Bde. Berlin 2010.
  • Moravánszky, Ákos (Hg.): Architekturtheorie im 20. Jahrhundert. Eine kritische Anthologie. Wien u. New York 2003. S. 121-255.
  • Prigge, Walter: Raumdebatten in Deutschland seit 1945. In: Tom Fecht u.a.: Umzug ins Offene.
  • Vier Versuche über den Raum. Wien 1998. S. 23-29.
  • Radikal modern. Ausstellungskatalog Berlinische Galerie. Hg. v. Thomas Köhler u. Ursula Müller. Tübingen u. Berlin 2015. S. 62-81.
  • Krieg-Zerstörung-Aufbau. Architektur und Stadtplanung 1940-1960. Ausstellungskatalog Berlin, Akademie der Künste, Berlin 1995 (= Schriftenreihe der Akademie der Künste 23). 

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