SUBSTANZ / AKZIDENZ. NACHDENKEN ÜBER DAS VORHANDENE.
SUBSTANZ / AKZIDENZ. NACHDENKEN ÜBER DAS VORHANDENE.
Vorlesungen zur Theorie der Umformung, Umgestaltung, Umnutzung
„Lasst diese schönen und ernsten Bauwerke reparieren. Lasst sie mit Sorgfalt reparieren, mit Intelligenz, mit nüchterner Zurückhaltung. Ihr habt Menschen aus der Wissenschaft und mit Sinn für die Kunst in Eurer Umgebung, die Euch über diese Arbeit aufklären können. Vor allem mäßige sich der restaurierende Architekt in seiner eigenen Einfallskraft; er studiere genauestens den Charakter eines jeden Gebäudes, gemäß seinem Zeitalter und seiner Stimmung. Er mache sich die allgemeine und die besondere Linie des Monuments, das man in seine Hände legt, zu eigen, und er verstehe geschickt sein eigenes Genie mit dem Genie des alten Architekten zu verbinden.“
Victor Hugo, Krieg den Zerstörern, 1832
„Unsere überzüchtete Kultur weiß nicht, wo sie die Trennungslinie ziehen soll zwischen dem Erhaltenswerten und dem Veränderbaren.“
André Corboz, Re-Animation, 1976
Anknüpfend an das vergangene Wintersemester, in dem es um Kanon und Referenz sowie die Dynamik ästhetischer Übereinkunft in der Architektur ging, wird es in diesem Semester um ein weiteres Begriffspaar gehen, Substanz und Akzidenz. Während der eine Begriff ganz klar in den Bereich der Architektur zu passen scheint, ist der zweite erklärungsbedürftig und im Architekturdiskurs zumindest holprig. Substanz meint im philosophischen Sinn die beharrliche, Akzidenz die wechselnde Eigenschaft eines Gegenstands. Es wird also um das Verhältnis zwischen Bewahrung und Veränderung von Gebäuden gehen, um das, was wir seit einigen Jahren als „Umbau“ oder sogar „Umbaukultur“ bezeichnen. Die Vorlesung wird im Sinne einer Anthologie aufgebaut sein und das heißt, dass nicht die in diesem Bereich sonst üblichen Fallbeispiele oder Kataloge von Referenzen den Ausgangspunkt bilden, sondern architekturtheoretisch relevante Texte, Textausschnitte, Zitate, die kontextualisiert und neu geordnet werden sollen, um das zu ermöglichen oder hervorzubringen, was wir bislang nicht haben: Eine Theorie der Umformung, Umgestaltung, Umnutzung. Denn tatsächlich benötigen wir keine neue Kultur, wir benötigen eine Theorie, und wir sollten das tun, von dem wir wissen, das es richtig ist. Jenseits kultureller Abgrenzungsversuche müssen wir uns über das Verhältnis zwischen Erhaltenswertem und Veränderbarem klar werden, Entwurfsmethoden zwischen Substanz und Akzidenz finden.
Vorlesung, jeden Montag, 17:00-18:30, A 310
Beginn: 21.10.2024
BA Module 12/14 = 3ects; MA Module 3/5 = 5ects
Anmeldung in der ersten Stunde.
Literatur (Auswahl einiger dem Thema gewidmeten Architekturzeitschriften)
ARCH+. Jg. 8. 1975. H. 6: Modernisierung und Stadtentwicklung.
ARCH+. Jg. 9. 1976. H. 29. Stadterneuerung – Stadterhaltung.
ARCH+. Jg. 10. 1977. H. 33: Selbsthilfe mit Wohnungsbau.
ARCH+. Jg. 57. 2024. H. 256: Umbau – Ansätze der Transformation.
Architectural Record. Dezember 1974. H. 12: Building types study 469: Conservation in the context of change.
Architectural Review. Bd. 151. Mai 1972. H. 903: New uses for old buildings. Hg. v. Sherban Cantacuzino.
Der Architekt. Jg. 68. 2019. H. 5: Umbau. Strateginnen und Strategen. Strategien und Methoden.
Die Architekt. Jg. 73. 2024. H. 2: Weiterbauen, weiterdenken. Annäherungen an eine Theorie des Umbaus.
Archithese. Jg. 12. 1982. H. 4: Zweckentfremdung. Sinnentfremdung?
Archithese. Jg. 28. 1998. H. 2: Neues Entwerfen mit alter Substanz.
Baukultur. Zeitschrift des DAI. H. 6. 2023. H. 6: umBaukultur.
Casabella. Bd. 498-499. 1984: Architettura come modificazione.
Deutsche Bauzeitung (db). 2003. H. 12: Anbauen, Weiterbauen.
Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege. Jg. 76. 2022. H. 4: Weiterbauen als Normalfall.
Das Werk. Architektur und Kunst. Bd. 56. 1969. H. 5: Einbauten, Umbauten.
Werk-Archithese. Bd. 66. 1979. H. 25-26: Eingriffe. Interventions.
Werk, Bauen und Wohnen. 90./57. Jg. 2003. H. 3: Weiterbauen.