Nicht gebaut, um besehen, sondern um bewohnt zu werden.
Zur Geschichte und Theorie des Wohnens
Sommerkurs der Klassik Stiftung Weimar, 17.-22. August 2023
»Wohnen« ist ein Problembegriff. Jeder Versuch einer Präzisie- rung ist allein aus dem Grund schwierig, weil das Wohnen als übergreifender Tätigkeitsbereich zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen betrifft. Das Wohnen ist mit allen anderen »Lebens- bereichen des Menschen direkt oder indirekt verbunden« (Hans-Jürgen Teuteberg). Die sich nicht selten widerspre- chenden Definitionen erschweren terminologische Festle- gungen und das methodische Vorgehen. In den vergangenen 30 Jahren hat die Wohnforschung im Bereich der Soziologie und den Geschichtswissenschaften, in den Literaturwissen- schaften, der Anthropologie und den Architektur- und Design- wissenschaften große Schritte gemacht, das weite Feld des Wohnens wird mittlerweile von nahezu allen geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereichen ausgeleuchtet und zählt längst wieder zu den dringlichsten politischen Herausfor- derungen unserer Zeit. Wohnen resultiert aus der Summe verschiedener Tätigkeiten des Menschen durch die Zeit an einem Ort. Zahlreiche Faktoren wie die Dinge, mit denen sich die Wohnenden mehr oder weniger freiwillig umgeben, die architektonische Disposition, die den Rahmen des Wohnens abgibt, die Lage der Wohnung innerhalb eines städtischen oder regionalen Gefüges, oder die Formen des Zusammen- lebens wirken auf die Prozesse und die Wahrnehmung des Wohnens ein. In der Wohnung entsteht durch das Wohnen
ein Ab- oder Gegenbild zur äußeren Welt. In einer Zeit, in der Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammenrücken, die Grenzen von privat und öffentlich sich wieder einmal verschoben haben, ist es vielleicht angebracht, Aufgaben, Methoden und Grenzen einer Geschichte des Wohnens und seiner Bestandteile zu diskutieren.