ABSTRACT CITY 13: Stadt-DNA
Es vergeht nahezu kein Tag, an dem das Thema „Wohnbau“ oder noch besser „leistbarer Wohnraum“ nicht in den Medien auftaucht. Auch die unbewältigten Flüchtlingszuwanderungen- 300.000 alleine nach Deutschland im Jahr 2015- füllen die Tageszeitungen. Kostengünstig errichteter, vor allem aber auch urbaner Wohnraum für eine große Zahl unterschiedlichster Nutzer ist die unüberhörbare Forderung Die Beschäftigung mit dem Wohnungsbau bringt uns aber unweigerlich zur Beschäftigung mit den Fragen der Stadt, zur Frage der Einzelkomponenten der Stadt und ihrer Bildungsgesetzte: Was ist die DNA der Stadt?
Wohnbau ist zwar eindeutig Inhalt und Baumasse des Stadtkörpers, aber genauso eindeutig generiert Wohnbau alleine keine Stadt. „Stadt“ ist großmaßstäbliche Organisation für einen (unendlich) langen Zeitraum, organisiert also alles was außerhalb der eigenen vier Wände passiert, öffentlich und veränderbar ist. Wohnen ist kalkulierbar- die menschlichen Grundbedürfnisse- kochen, essen, waschen, schlafen- haben sich noch nie geändert und es schaut auch nicht danach aus. Wohnstrukturen sind also abstrakt- typologisch aus den Anforderungen und technischen Erkenntnissen ihrer Bauzeit entwickelbar, die Anwendung im Einzelfall kann individuell, zum Beispiel an eine bestimmte Topografie, adaptiert werden. Anders verhält es sich mit dem Faktor „Öffentlichkeit“. Es ist die prägendste aber ungreifbarste Komponente der Stadt, die von Mentalitäten bestimmte, besondere architektonisch- räumliche Charaktere ausformt, die wiederum von den täglichen Bedürfnissen ihrer Bewohner bestimmt werden. So entstehen emotionale Räume, die das Bild unserer Städte prägen und es sind diese emotionalen Räume, die uns in Erinnerung bleiben und unser Bild der Stadt definieren. Was prägt unser Bild von Berlin? Können wir durch die Analyse spezifischer Berliner Stadtquartiere logische Schlüsse für eine neu zu errichtende Stadtstruktur ziehen? Wie relevant ist diesbezüglich zum Beispiel der Kurfürstendamm?
Städte schrumpfen oder wachsen, je nach demografischer Entwicklung und den politischen Zuständen in der Welt. Die europäische Stadt, als über die Jahrhunderte gewachsene Struktur verkraftet diese Prozesse und behält trotz Wachstum oder Schrumpfung ihre Identität. Architektur und damit auch die Stadt entwickelt sich durch neue Anforderungen weiter. Was sind die neuen Anforderungen an die neu zu errichtende Struktur? Gibt es neue Anforderungen?
Die „Elastizität des Stadtkörpers“ ist es, was die Stadt vom Gebäude unterscheidet. Ein Einzelnes Gebäude kann als Solitär vom Auftraggeber in seiner Funktion definiert, vom Architekten fix und fertig geplant und gebaut werden. Das Gebäude als Teil der Stadtstruktur kann niemals „fertig“ sein. Die Stadtstruktur muss in sich immer genug „Luft“ für Unvorhersehbares beinhalten, bei gleichzeitiger Erschaffung identitätsstiftender Öffentlichkeit. Und dafür muß auch in neu zu errichtenden Städten oder Quartieren Platz sein. Und dieser „Raum“ ist nicht funktionell und auch nicht mit Quadratmeterzahlen fassbar. Wie wird er also integrativer Bestandteil der Struktur?
Formale Kriterien oder die Definition einzelner Gebäude im Zusammenhang mit Städtebau sind obsolet, die (teilweise realisierten) Masterpläne der (europäischen) Stadterweiterungsgebiete der letzten Jahrzehnte beweisen die Mangelhaftigkeit. Der öffentliche Raum als Raum der Teilhabe, als erweitertes Wohnzimmer, Erholungsraum, Touristenattraktion oder was immer, einfach als Ergebnis und Mehrwert einer sinnvollen Stadtstruktur, als zusätzliches, nicht kommerzielles Angebot für seine Nutzer macht Stadt erst lebenswert.
Aufgabe Bachelor:
Je zwei Entwerfende entwickeln die vier Bausteine der Stadt DNA:
Entwerfer A: Öffentlichkeit:
1.öffentlicher nicht kommerzieller (Frei)raum und kommerzielle Infrastruktur dazu (Geschäfte, Büros und Gastronomie
2. Erschliessungsstruktur zwischen den Bausteinen 1, 3 und 4
Entwerfer B: Entwicklung von Wohnmodulen:
3.Kurzzeitiges Wohnen , Einheit ca 45 m2,
4. langfristiges Wohnen, Einheit ca 75 - 90 m2
Die Baustruktur erreicht in der Höhe 22 Meter, die Breite der Struktur beträgt min. 22 Meter, max 50 Meter.
In der Längsentwicklung ist die Struktur endlos koppelbar.
Gastkritiker: Roger Bundschuh (Architekt), FLorian Heilmeyer (Architekturjournalist), Ulrike Zeidler (Stadtentwicklungsamt Berlin Köpenick)