Klar, im Nachhinein weiß man es immer besser. Aber ist doch kein Problem, wir können ja korrigieren: Meinungen, Haltungen, Entscheidungen. Auch architektonische. Ohne vergangene Entscheidungen blöd dastehen zu lassen. Wir könnten das mal anhand des Themas „Barrierefreiheit“ ausprobieren. Denn logisch: vor fünfzig Jahren war das ein Nischending, stand einfach nicht auf der Agenda einer Welt, die andere wichtige und interessante Fragen bearbeitete. Heute rufen wir dann: Wie konnten die bloß…! Aber: Statt rumzumeckern, anzukreiden und vorzuwerfen schlagen wir vor, emphatische Geschenke zu verteilen. Wir verinnerlichen die gestalterischen, technischen und sozialen Ideen bestehender Häuser in Berlin und kneten die vermeintlich trockensten Themen der Barrierefreiheit hinein: Rampen, Aufzüge, Bewegungsradien, Rutschfestigkeiten, Leuchtdichtekontraste. Wir tun, als ob diese Themen schon immer Teil der Gestaltung dieser Häuser gewesen wären. Wir wollen das mittlerweile Alte nicht schlecht dastehen lassen mit unseren neuen Ideen, unseren Geschenken. Nur ein bisschen zurechtbiegen und offensichtlich gewordene Mängel beheben. Dabei ist uns klar, dass wir nicht alles gleichzeitig haben können. Deshalb verwenden wir nur Baumaterialien, die schon in den Häusern verbaut sind. Für unsere Geschenke müssen wir also klauen. Durch Rückbau, bei den Beschenkten. Das wird uns in Schwierigkeiten bringen - moralisch, technisch, gestalterisch. Aber hoffentlich auch viel Freude bereiten. Willkommen im Beruf der Architekt*in!

Start: Dienstag, 18.10.2022 um 11:15 Uhr, Raum 236