Prof. Volker Riegger
Wann haben Sie als Lehrender begonnen und wie sind Sie auf GWK aufmerksam geworden?
Eine Kollegin mit GWK-Diplom, die ich von der Stiftung Warentest für den Bonner Politik-Betrieb abgeworben hatte, war 1986 von Werner Gaede, dem damals bei GWK für Text-Gestaltung verantwortlichen Professor („Abweichen von der Norm“) gefragt worden, ob sie jemand für das Fach „Politische Kommunikation“ empfehlen kann, bei GWK gäbe es da ein Defizit. Ich war gerade im beruflichen Wechsel zur
Infratest Forschung in München. Das Angebot einen entsprechenden Lehrauftrag im Winter-Semester 1986/87 bei GWK zu übernehmen hat mir und meinem neuen Umfeld gut ins Konzept gepasst.
Was war Ihr Brotberuf, wo liegt Ihre berufliche Spezialisierung?
Mit 15 Jahren, nach dem frühen Tod meines Vaters und Jahren seiner schweren Krankheit, habe ich noch während der Schulzeit mit meinen Brotberufen angefangen. Zunächst als Jobber in einer kleinen Werbeagentur mit angeschlossenem Zeitschriften-Großhandel. Nach dem Abitur als Volontär und Redakteur einer Tageszeitung. Während des Studiums als wissenschaftliche Hilfskraft und nach dem
Diplom als Assistent an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der LMU. Den Wechsel Anfang 1972 von dort in die Planungs-Abteilung des SPD-Vorstandes in Bonn hatte ich als eine Art zeitlich begrenzten Forschungsaufenthalt im Rahmen meiner Promotion geplant. Aber das gescheiterte Misstrauens-Votum gegen Willy Brandt als Kanzler der sozialliberalen Koalition und die daraus folgenden vorgezogenen Neuwahlen haben mich vom teilnehmenden Beobachter zum Akteur in dem kleinen Kern-Team gemacht, das für das Strategie-Machen und damit auch für das gesamte Kommunikations-Management des Bundestags-Wahlkampfes verantwortlich war. Nach der für uns sehr erfolgreich ausgegangenen Wahl habe ich bis 1986 diese Abteilung geleitet, war in dieser Funktion als Campaign Manager an zwei weiteren gewonnenen Bundestagswahlen und als Berater an zahlreichen Wahlkampagnen auf allen politischen Ebenen im In- und Ausland beteiligt.
Als für Marketing zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung der Infratest Holding war ich anschließend bis Ende 1989 in die strategische Planung dieses privatwirtschaftlichen Forschungsunternehmens eingebunden, das damals versucht hat, sich aus eigener Kraft als internationaler Player aufzustellen. Einige Jahre nach meinem Ausscheiden hat ein Kapitalstarker internationalen Wettbewerber das Unternehmen aufgekauft. Die praktischen Erfahrungen im Top-Management dieses zwar kleinen, aber sehr modern aufgestellten und international ausgerichteten Konzerns, waren wertvoll sowohl für meine Lehrtätigkeit bei GWK mit Blick auf Unternehmenskultur,
interkulturelle Kommunikation und strategisches Management wie für meinen späteren Hauptberuf als Strategie-Berater. Den habe ich zunächst als Selbständiger, ab 1992 als Inhaber und Vorstand meines eigenen Beratungsunternehmens, der logos AG Holding, bis 2012 ausgeübt. Große Kunden im kommerziellen Bereich waren eine privatwirtschaftliche Großbank,ein bundesweiter Branchen-Verband und einige seiner Mitgliedsunternehmen sowie die deutsche Niederlassung eines internationalen Technologie-Unternehmens. Die Politik-Beratung war zwar mit Blick auf Geschäftsvolumen und den wirtschaftlichen Ertrag eher bescheiden, blieb aber für mich persönlich immer sehr wichtig. Mein beruflicher Lebensweg zeigt, dass Strategie-Machen offensichtlich das ist, was ich am besten kann. Allerdings ist mit Gründen daran zu zweifeln, ob das eine berufliche Spezialisierung im Sinne obiger Frage ist. Denn beim Strategie-Machen ist das Einbeziehen von Spezialwissen und von Spezialisten zwar oft unerlässlich, aber immer nur soweit es dabei hilft mit Unbekanntem und Unerwartetem besser umzugehen. Auf letzteres scheine ich spezialisiert zu sein.
Was hat Sie all die Jahre bewogen, sich zusätzlich in der universitären Lehre zu engagieren?
Als Schulkind war mein Berufswunsch Lehrer, als Student und Assistent war eine akademische Tätigkeit immer eine meiner beruflichen Optionen. Eine Rolle könnte dabei gespielt haben, dass ich mit meinen Lehrerinnen und Lehrern und später mit meinen Professoren ungeheures Glück hatte. Ich wollte das, was ich von denen bekommen habe, unbedingt an andere weitergeben und habe später immer darum gebeten, das auch ihrerseits zu tun.
Mein Privileg bei GWK, ausschließlich an Themen zu arbeiten, die ich erforschen und mir erschließen wollte und die Bereitschaft der meisten Studierenden dabei aktiv mitzumachen, haben mein Leben schöner und reicher gemacht. Je älter ich wurde umso mehr habe ich mich gefreut mit den um so viel Jüngeren, zuletzt aus der Generation meiner Enkel, in gemeinsamen Erkundungsgängen ins Neue und Unbekannte vorzustoßen.
Gibt es ein Erlebnis, das sich Ihnen besonders eingeprägt hat?
Das „Berliner Symposion zum interkulturellen Kommunikationsmanagement“ haben wir im Rahmen eines Seminars über zehn Jahre hinweg jeweils im Sommer inhaltlich und konzeptionell vorbereitet. Im folgenden Winter-Semester hat es dann in Form einer Reihe öffentlicher Veranstaltungen stattgefunden, die die Seminar-TeilnehmerInnen in eigener Regie – vom Fundraising über die Einladung und
Betreuung unserer Gäste bis zu den Plakaten und Flyern - organisiert haben Einer war so tollkühn direkt bei Niklas Luhmann anzurufen und ihn zu unserem Symposion einzuladen. Wie wir erst viel später erfahren haben, war kurz zuvor seine Frau gestorben, er war allein zuhause und einsam. Vermutlich deshalb hat er spontan zugesagt. Unser Star-Gast ist dann in Begleitung seines damaligen Assistenten Dirk Baecker zu uns gekommen, der Saal war voll von Neugierigen und BewunderInnen. Sein knappes Statement, eigentlich könne er mit dem Begriff
„Kultur“ wenig anfangen, er arbeite damit nicht, hat mich wie alle anderen überrascht, verblüfft und für eine ganze Weile sprachlos gemacht.
Bis heute staune und freue ich mich über dieses Beispiel seines untergründigen Humors, den er damals der Trauer abgerungen hatte und der auch in seiner so abstrakten Theorie-Kathedrale immer wieder kurz aufblitzt. Eine dazu passende Ironie der Geschichte ist, dass auf einen wenig später neu eingerichteten Lehrstuhl an der Universität Witten-Herdecke, der der Erforschung von Unternehmenskulturen gewidmet war, sein Meister-Schüler Dirk Baecker berufen wurde.
Was raten Sie Menschen, die überlegen, GWK zu studieren?
Für Menschen, die schon erste berufliche oder ehrenamtliche Erfahrungen in der Kommunikations-Praxis haben und in diesem Feld ihre berufliche Zukunft sehen, ist GWK der ideale Studiengang, um sich darin zu erproben und ihr Handwerkszeug mit wissenschaftlichen und künstlerischen Methoden zu fundieren und zu erweitern. Für Menschen, die in einen Standard-Studiengang wie etwas Jura oder Wirtschaft oder Lehramt oder Informatik aus irgendwelchen Gründen nicht weitermachen wollen oder darin gescheitert sind, aber Freude daran haben andere Menschen zu erreichen und zu überzeugen, kann das GWK-Studium der richtige Weg sein, um dabei auch die bereits erworbenen Fachkenntnisse für ihre Kommunikationsarbeit fruchtbar zu machen. Für Menschen, die noch nicht so ganz genau wissen ob und was sie studieren sollen, ist ein GWK-Studium nur dann zu empfehlen, wenn sie neugierig und offen sind, gern mit anderen zusammenarbeiten und kommunizieren. Sie sollten hinreichend selbstbewusst und selbständig sein, um auf das Geländer eines Standard-Studiengangs verzichten zu können. Für Menschen, die Auftrags-Kommunikation als mögliches Berufsfeld in Betracht ziehen, eröffnet das GWK-Studium dann spannende Optionen, wenn sie sich mindestens für eines der vier GWK-Arbeitsfelder begeistern können: Für Kreation
und Interaktion und/oder für Verbale Kommunikation und/oder für Forschung und/oder für Strategie-Machen.
Welchen zukünftigen Herausforderungen werden sich die Kommunikations-Profis von der UdK stellen müssen?
1971 war die handwerklich geprägte „Staatliche Akademie für Grafik, Druck und Werbung“ als Studiengang „Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation“ in die neu gebildeten „Hochschule der Künste Berlin“ integriert worden. Das hat sich bis heute als doppelter Glücksfall für die Zukunftsfähigkeit des Studiengangs, seiner AbsolventInnen wie seiner Lehrenden erwiesen:
- Das Handwerker-Gen prägt immer noch auch die wissenschaftlichen Disziplinen des Studiengangs und führt sie zusammen;
- das Umfeld der Künste in der UdK und deren gesellschaftliche Funktion „Welt in der Welt erscheinen zu lassen“ (Luhmann) begünstigt seine Offenheit für das Unbekannte und Unerwartete.
Handwerkliche Kompetenz im Umgang mit den neuen machtvollen Werkzeugen der Künstlichen Intelligenz und mit dem nicht Berechenbaren sind in der Epoche der digital vernetzten Zeit und der globalen Neuordnung, in der wir jetzt leben, die
zentralen Herausforderungen für Kommunikations-Profis. Um sich für diese Epoche neu zu erfinden sollten die Kommunikations-Profis der UdK ihren internen Dialog intensivieren und bereichern, indem sie aus dem Vorteil der räumlichen Nähe zu den eher technisch Orientierten der TU Berlin und aus der institutionellen Verbundenheit mit denen der Künste versuchen produktives Kapital schlagen. Am Gelingen dieser erneuten Transformation wird die professionelle Kompetenz der UdK-Profis gemessen werden.