Prof. Dr. Christof Breidenich

Quelle: Breidenich

Hallo Christof, schön, dass du Zeit hast uns ein paar Fragen zu beantworten. Du bist Kommunikationsdesigner und Designtheoretiker und lehrst seit über 20 Jahren Mediendesign, Designmanagement und Ästhetik an diversen Hochschulen. Bei uns im Studiengang bist du Dozent im Modul Design & Kreativität. Was sollten wir noch über dich wissen?

Ich versuche immer, die Theorie so zu begreifen, dass die Praxis verbessert wird. Dass man eben nie die Theorie als Selbstzweck hat, wie ein Philosoph oder ein Theoretiker, der ausschließlich sprachlich arbeitet. Die Schnittstelle zwischen der Sprache und der Veräußerung, die dann in einer ästhetischen Art und Weise wahrgenommen wird, das ist die große Gretchenfrage. Das kann man einerseits universitär machen, das kann man in der Arbeitspraxis verankern, das kann man in der Kunst verankern. Ich versuche das nicht nur an der Uni, sondern auch in meinen freien Arbeiten, die ich mache. Das sind teilweise bildnerische Arbeiten, aber auch performative Arbeiten, Vorträge, Stadtführungen und alternative Formate.

 

Wie passt das Thema Design und Kreativität eigentlich mit Innovation und digitale Transformation zusammen?

Man kann es gleichsetzen. Digitale Transformation ist ja nichts anderes als ein technischer Prozess. Das ist genauso gut wie die handwerkliche Transformation, wie die Transformation im Neolithikum von den Händen zum Werkzeug hin. Das ist ein Prozess, der kognitiv gesteuert wird. Genau das ist Design: Innovation und Management mit den Teilaspekten Leadership und Strategie. Design nähert sich eben von der ästhetischen Seite und alle anderen wie Managementtheorie, Betriebswirtschaft, Wirtschaftspsychologie nähern sich von der sprachlichen Seite.

Es gibt also die Dialektik der Wahrnehmung, der Ästhetik und anderseits die Logik, die Rationalität der Sprache. Man könnte sagen, das ist eins oder man sagt, es sind zwei Seiten einer Medaille. Es gibt dazwischen keinen Unterschied, zumindest in den Zielen nicht. Das Ziel ist immer eine Innovation. Es gibt keine Innovation ohne Design.

 

Mit welchen Fragen zum Themenfeld digitale Innovation, Leadership und Gestaltung beschäftigen Sie sich aktuell?

Mich beschäftigen die Methoden, die Künstler anwenden. Es ist so, dass eigentlich alle Methoden, bis hin zum Design Thinking, eigentlich künstlerische Methoden sind. Sie sind seit der Moderne, also seit circa 120 Jahren, eine völlige Selbstverständlichkeit im künstlerischen Feld. Diese gilt es zu systematisieren. Es gilt zu fragen: Was kann ich denn damit anfangen? Mit dem “Kreativitätsimperativ”, wie Andreas Reckwitz das macht: Also man MUSS kreativ sein. Vom Bäcker bis zum Busfahrer bis zur Universitätsprofessorin MUSS man kreativ sein, man hat keine andere Chance. Man kann nicht als Reinigungskraft sagen: Ich bin total unkreativ. Es ist ein Imperativ. Man muss es. Ich frage mich, was sind die Auslöser: Woher kommt diese Notwendigkeit, kreativ zu sein? Da bin ich auf der Suche nach den entsprechenden Instanzen in der Kulturgeschichte, in der Kunstgeschichte, in der Mediengeschichte, in den verschiedenen Theorien.

 

Welche Gestaltung im Digitalen hast dich zuletzt so richtig positiv überrascht, und warum?

NFTs. Da kommt ja keiner dran vorbei. Die ganze Kryptokunst, die da jetzt eine Rolle spielt, interessiert mich. NFT und Krytkunst, das ist schon sehr verwunderlich, weil es sich bei NFTs ja eigentlich um ein Verwaltungssystem handelt. Die einzige Innovation daran ist, dass es eine neue Art der Verwaltung ist, der Verwaltung von Werten. Für mich ist da die Frage, wie ich über diese Verwaltungsinnovation zur Ästhetik komme. Wie kommt es dazu, dass man sagt: Das ist super spannend, das gucke ich mir auch an oder da mache ich jetzt auch mit. Ist das nur ein Zwang, weil alle mitmachen, oder macht es auch irgendwie Sinn? Macht es ästhetischen Sinn? Finanziellen Sinn ergibt es, aber ergibt es auch einen ästhetischen Sinn? Das verwundert mich schon und da weiß ich auch keine Antwort.

 

Was erwartet die TeilnehmerInnen in deinem Seminar?

Am Anfang steht ein großer Pool an Beispielen, an Informationen, an Entwicklungen und historischen Verläufen. Man könnte auch sagen, es ist eine Einführung in die komplette Entwicklung der Ästhetik der letzten 2000 Jahre, immer wieder abgeklopft auf deren aktuelle Bedeutung. Ist das wirklich alles neu, was wir heute machen? Oder ist es nicht alles schon mal da gewesen?
Und wenn wir es begreifen, dass es da gewesen ist und wie es funktioniert hat, dann können wir auch die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Wenn ich nichts weiß und mache eine Innovation, dann ist es Zufall, wenn es funktioniert. Wenn ich aber viel weiß, wenn ich die Historie kenne, dann kann ich daraus etwas ableiten. Wer viel weiß, hat die Fensterläden offen und kann herausschauen. Wer wenig weiß, der hat sie zu und kann nur hoffen, dass draußen etwas passiert.

Und zum anderen sollen die Studierenden etwas selbst entwickeln, nämlich im Sinne einer Spekulation, einer Vision, eines Zukunftsszenarios mit der Frage: Wie willst Du morgen leben? Was sind die Diskurse? Achtsamkeit, Kryptokunst, Diversity, Inklusion. Das sind alles Diskurse, die virulent sind. Daran sollten sich die Studierenden ankoppeln und dann sollen sie was erstellen. Das sind die beiden Dimensionen im Seminar.

 

Hast du Medien-Tipps für unsere Studierenden? Bücher, die man mal gelesen haben muss? Videos, Podcasts oder Magazine?

Die Wagenbach-Reihe mit den Büchern zu digitalen Bildkulturen, kuratiert von Wolfgang Ullrich. Davon gibt es einzelne Bücher zu Themen wie Kryptokunst, Emoji, Mode, Memes. Die kann man so an einem halben Tag lesen und hat das Thema dann sehr gut überblickt. Dann empfehle ich noch Bücher von Kenya Hara zu lesen. Das ist für die Minimalisten unter den Ästheten. Kurz vor dem Nichts, der Minimalismus, so minimal wie er nur sein kann. Kenya Hara hat die japanischen Brands wie Muji in die westliche Welt gebracht. 

Ansonsten empfehle ich noch die Website von Bazon Brock. Da geht ja immer noch nichts drüber, das werden auch noch die nächsten Generationen erleben, das wird noch lange sehr zentral relevant sein. Auf der Website bazonbrock.de steht ja alles drauf, ein paar hunderttausend Wörter und alle Texte sind frei zugänglich, alle Videos, alle Radio- und Fernsehsendungen, Fotos usw. Da ist alles vorhanden als Großbibel der Ästhetik, die nirgendwo anders so umfassend komprimiert ist.

 

Danke für den Austausch!