Katharina Köth

Quelle: Köth

Liebe Katharina, magst du dich einmal kurz vorstellen? Wer bist du? 

Vielen Dank für die Einladung, schön, dass ich hier sein darf! 
Ich bin Katharina Köth, Gründerin und seit 15 Jahren User Experience Designerin und Strategin. Ich habe davor Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation hier an der UdK studiert, deshalb ist LDI auch ein bisschen so nach Hause kommen. Als UX-Designerin war ich lange bei Jung von Matt, die Agentur ist ja bekannt für die kreative Leistung für Werbekampagnen, die jeder kennt. Ich hatte aber eigentlich gar nichts mit der Werbung zu tun, sondern immer mit der Entwicklung von digitalen Produkten, Plattformen und Services. Im Fokus stand nur eben immer das Mindset der Agentur und deren Werte. Vor ein paar Jahren habe ich mich dann entschieden, die Agentur zu verlassen und war kurz vor der Pandemie noch Freelancerin. Im letzten Jahr habe ich das aber dann in eine GmbH-Struktur umgewandelt. Jetzt arbeite ich mit der Firma Creative Complexity eher in einer Netzwerkstruktur mit Freunden und Kolleg*innen, und mit anderen Denkweisen an der Entwicklung digitaler Produkte. Außerdem bin ich ja noch im Studiengang bei euch Dozentin.

 

Du bist Speakerin, Gründerin und Dozentin, dein Schwerpunktthema ist “Creative Complexity”- was können wir uns darunter vorstellen? 

Für mich ist es nicht nur der Name der Firma, sondern auch ein Mindset.  Auf der einen Seite erzähle ich niemandem etwas Neues, wenn ich behaupte, dass unsere Welt immer fragmentierter wird und herausfordernder, sei es gesellschaftlich, technologisch, politisch, wirtschaftlich und ökologisch. Es sind so viele Herausforderungen, mit denen wir zu tun haben, die EntscheiderInnen und uns immer mehr herausfordern. Die Herausforderung ist auch zu verstehen, was wir eigentlich grade tun. Seit zwanzig Jahren mit digitalen Plattformen wissen wir mittlerweile, welche Konsequenzen das hat: Facebook und die Politik, Airbnb und die Gentrifizierung und so weiter. 

Auf der anderen Seite erleben wir, dass diese Komplexität Konsequenzen hat. Sie führt einerseits zu einem Populismus, kann positiv oder negativ sein, im Sinne von Greta Thunberg und Donald Trump. Oder es führt in so eine strategische “Analysis Paralysis”, in der man so viel analysiert und sich so rational mit Dingen auseinandersetzt, dass man gar nicht mehr weiß, wie man es überhaupt kommunizieren kann. 

Ich versuche meine Auftraggeber*innen sprechfähig zu machen. Ich helfe ihnen zu verstehen, mit welchen Dynamiken sie es zu tun haben in ihrem Geschäftsfeld, was sich da grade alles verändert. Aber auch, was Nutzer*innenzentrierung bedeutet, welche Hebel es gäbe für sie zu agieren oder nicht zu agieren. Und das Ganze dann idealerweise zu verproben und sich zu entscheiden. 

Es geht vielmehr darum, ein Framework zu schaffen, mit dem wir verstehen, was grade passiert, um überhaupt wieder entscheidungsfähig zu werden.

 

Welche Rolle spielt eigentlich Kreativität für Innovation, digitale Transformation und Leadership? 

Es ist eine sehr zentrale Rolle, aber keine unkritische. Das ist ja ein Thema, was insgesamt im Studiengang sehr kritisch beleuchtet wird, die Auseinandersetzung sehr umfassend ist. Wir haben es da mit unterschiedlichen Kreativitätskonzepten zu tun: amerikanisch und europäisch. 

Ich habe schon das Gefühl, dass in Leadership und Transformation der Anspruch an Kreativität, grade in so einer deutschen Kultur der Dichter und Denker und der Ingenieure, wahnsinnig viel Druck entsteht, wenn gesagt wird: Sei mal kreativ! 

In Abgrenzung dazu gibt es dann die amerikanische Denke, in der es kreativ ist eine Idee zu äußern und beschreiben zu können. Das macht es so interessant: Über welche Kreativität reden wir an welcher Stelle, was machen wir mit Menschen, die sich nicht kreativ fühlen? Ich finde schon, dass kreatives Entscheiden und kreatives Führen, im Sinne einer Flexibilität, Agilität, sich auch mal umentscheiden zu können, sehr zentral ist. 

Kulturell haben wir aber auch Ansprüche an die Begriffe wie “Idee”, die wir neu justieren müssen. Es ist ein schwieriges Feld und ich erlebe in der Arbeit oft Leute, die enttäuscht sind, die Kreativ- und Ideenprozesse durchlaufen und dann sagen: “Ist das jetzt kreativ, oder nicht?”. Das ist eine spannende Rolle, in der man damit zu tun hat. Kreativität ist auch loslassen und wild sein. Es kann häufig helfen, wenn man sich gefangen fühlt, dann so auszubrechen. Es braucht aber viel Mut, den muss man sich erstmal antrainieren: Den Mut kreativ sein zu können. 

 

Mit welchen Fragen oder Themen in Bezug auf Innovation, Leadership und das Digitale beschäftigst du dich im Moment?

Ich bin im Herzen weiterhin User Experience Designerin. Es beschäftigt mich sehr, wie aus UX-Design so ein Trendbegriff geworden ist, genauso wie der Begriff der Nutzer*innenzentrierung.  Für viele Unternehmen ist es fast ein Merkmal von Objektivität geworden. Das Motto ist da: Wenn wir das machen, was die Nutzer*innen wollen, dann wird das schon gelingen. Was mich aktuell sehr beschäftigt, vor allem im Sinne der Komplexität und einer systemischen Denkweise, ist die Frage, welche Rolle wir als Individuen spielen. Viele von uns, die in den gestaltenden Rollen sitzen, sind in einer sehr privilegierten Rolle, aus der Ausbildung und der Herkunft und so weiter. 

Der Nutzer*innenzentrierung wird oft eine Objektivität aufgeschoben und gleichzeitig gibt es einen Schleier der ”Wokeness”, als wüsste man alles. Was mich derzeit am meisten beschäftigt ist die Frage, mit welchen Vorurteilen wir in diese Prozesse gehen. Welche Filter haben wir als Gestalter*innen und Strateg*innen in der Auswahl der Menschen, wem wir wie zuhören und welche Relevanz wir dem zusprechen? 

Es beschäftigt mich sehr, wie man mit und über Menschen denken und die Beziehung aufbauen kann. Es ist noch abstrakt, weil viel in der Wissenschaft passiert. Aber neben Personas sind noch nicht viele Gegenmodelle entwickelt worden. Wie können wir uns eher auf Gemeinsamkeiten fokussieren statt auf Abgrenzung, wie kann es uns gelingen, die Vielfalt von Menschen zu erfassen und nicht nur Stereotype zu reproduzieren und Vorurteile, die wir eh schon haben?

 

Was erwartet die TeilnehmerInnen im Modul Design & Kreativität? 

Im Modul mache ich gemeinsam mit meinem Kollegen und guten Freund Leonid Fishmann ein Seminar.
Innerhalb des Moduls verstehen wir uns als die PraxisgeberInnen. Neben Sascha Friesike und Christof Breidenich, die beide eher aus der Theorie kommen, sind wir ja sehr praktisch unterwegs, weil wir das ja auch beruflich machen. Wir berichten von unserem Arbeitsalltag, der Schwerpunkt ist digitale Produktkonzeption, wir beschäftigen uns damit am Beispiel eines Briefings einmal so einen Prozess zu durchlaufen. 

Ich finde es total spannend, dass aufgrund der Tatsache, dass das Masterstudium berufsbegleitend ist, wir in den letzten Jahren immer mehr Studierende hatten, die selbst UX Designer*innen, Product Manager*innen oder Art Direktor*innen sind. Da versuchen wir schon die Erfahrung, die im Raum ist, zusammenzubringen. 

Wir wollen gemeinsam entdecken, welche Trendthemen es im Management gibt, sowas wie Agile, OKR. Was bedeutet das für uns in der kreativen Arbeiten, in der Konzeption, der Gestaltung? Wie hat sich auch der Job verändert? 
Unser Seminar ist im Modul gut eingebettet, nachdem die Theorie und die Begriffe klar sind, ziehen wir damit nochmal einen Realitäts-Check ein. Auch den Studierenden, die noch keine Erfahrungen haben, Grundmethoden mit an die Hand zu geben, dass sie idealerweise gewappnet sind gegen neue Hypes. Die Studierenden sollen dann das Gelernte mal an einem Projekt ausprobieren können, aber auch viel daraus ziehen können, wenn wir im Sparring sind mit den TeilnehmerInnen, die aus so unterschiedlichen Bereichen kommen.

 

Zum Abschluss: Welche drei Tipps kannst du unseren interessierten Bewerber*innen mitgeben, die sie in der Vorbereitung zum Studium gut gebrauchen können? 

Womit man anfangen kann, ist Sehen und Beobachten lernen. Grade, wenn es um digitale Produkte geht: Wolt, Uber. Diese Angebote nicht einfach nur zu benutzen, sondern zu reflektieren, wie das a. funktioniert, beispielsweise aus dem Interface Design, mit der Frage, warum sich Dinge intuitiv anfühlen und b. aus einer sozialkritischen Perspektive. Wenn man sich mit solchen Themen beschäftigt, ist das schon eine gute Basis. Was ich allen Bewerber*innen mitgeben will ist, dass sie schnell bevor sie studieren noch ganz viel Literatur lesen oder alternativ Serien, das geht auch. Grade alles was mit UX Design und Charakterstudien zu tun hat. Mein Tipp ist es, solche Inhalte zu konsumieren, in denen es darum geht, wie Menschen ticken, wie deren Lebensgeschichten sind. Sich da so ein Repertoire aufzubauen, das ist einer der besten Startpunkte, um sich mit Nutzer*innen-zentrierten Prozessen auseinander zusetzen. Einfach sehr ergebnisoffen menschliche Geschichte zu hören oder auf Netflix einfach zwanzig Stunden lang zu bingen, was natürlich absolut okay ist. 

 

Danke für den Austausch!

Verwandte Themen