"There is a bulldozer out of control" (praktisches Seminar)
Daniela Ehemann / Wulf Walter Böttger
"There is a bulldozer out of control"
Praktisches Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 LP
Dienstags, 14-16 Uhr, wöchentlich ab 26.4.2016, Hardenbergstr. 33, Raum 102
Zwischen Breitscheidplatz und Bahnhof Zoo befindet sich die City-West gerade in einem Zustand delirischer Transformation. Abriss, Neubau, Umbau, Sanierung. Der Stadtkörper wird radikal angegangen. Das Herz des Westens erfindet sich neu. Der scheinbar bedingungslose Abriss eines ganzen kommerziellen Nachkriegsquartiers und dessen Bildtransformation durch Abriss und Neubau im Wettbewerb mit dem Zentrum Ost um den Alexanderplatz steht nachdrücklich für den Geist von Berlin als Stadt des steten Wandels.
In unserem Seminar geht es um Fragen, wie sich Zerstörungsmethoden unterschiedlichster qualitativer und quantitativer Ausprägung als erster, letzter oder eigentlicher Schritt in dem schöpferischen Prozess von Raumschaffung bewusst anwenden lassen. Das physische Angehen von existierenden Raum- und Baukörpern als Nukleus des werdenden Neuen. Die jeweiligen Methoden dieser Raumkörperbehandlungen werden dabei als das eigentlich bildnerische Stilmittel der Transformation gesehen.
Wir werden der Frage nachgehen, welche Konnotationen die jeweiligen Techniken in sich tragen. Was passiert, wenn der Moment der Transformation, der Zerstörung zum Beispiel anhand eines kleinen Missgeschickes oder eines „dummen Zufalls“ ausgelöst wird? Und inwiefern liegt evt. in der Handlung des Aufräumens, des Neuordnens oder des Sezierens an sich schon die eigentliche Erfüllung? Fragen, die den Aspekt der Transformation bis an seine Eckpunkte auslotet. Und was ist das Ziel? Gibt es überhaupt ein Ziel oder liegt im Prozess allein das Anliegen?
Fachübergreifend sollen unterschiedlichste Techniken, Instrumente, Methoden und Denkarten zur Anwendung kommen, die in eine räumliche Struktur, eine musikalische Komposition, ein dokumentierendes Video, in Pläne oder Performances münden.
Literatur zur Einstimmung:
Jocks, Heinz-Norbert: Der Wandel der Städte unter dem Druck der beschleunigten Zeit. Ein Gespräch mit dem Architekten und Philosophen Paul Virilio, Kunstforum Bd. 226, Mai-Juni 2014.
Peters, Günter: Kleine Berliner Baugeschichte, Stapp Verlag, Berlin, 1995.
Taschen, Angelika (Hrsg.): Schönheitschirurgie , Taschen, Köln, 2005.
von Amelunxen, Hubertus (Hrsg.): Gordon Matta-Clark. Moment to Moment: Space, Akademie der Künste, Berlin, 2012.
Film: Laurel & Hardy und die Kunst der Zerstörung: "Big Business" (1929), "Them Thar Hills" (1934), "Tit for Tat" (1935), "Towed in a Hole" (1932)
Leistungsanforderung für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige Anwesenheit, Mitarbeit an einem Projekt (z.B. performative Intervention, Objekte, Installation, Komposition) und/ oder an einer (foto-) grafischen Dokumentation.
Daniela Ehemann studierte Philosophie und Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin wobei sie zunächst ein Malereistudium u.a. bei Prof. Stöhrer absolvierte, bevor sie ihren Schwerpunkt in den Bereich der Zeichnung und Installation verlagerte. 2003 schloss sie als Meisterschülerin ab und forscht seitdem zum Thema Raum und Identität wobei sich ihr Arbeitsfeld als Raumnetz verstehen lässt, welches sich nicht nur in installativen Bauten erstreckt, sondern auch mittels performativ, filmischer Anwendungen Raum untersucht und bearbeitet. Sie unterrichtet an der UdK Berlin, entwickelte hier u.a. ein eigenes Konzept für internationale Studierende und wurde als Lecturer an die Columbia University, Chicago und als Dozentin an die Chinese Academy of Art, Hangzshou, eingeladen, was ihr zugleich ermöglichte, ihre Raumuntersuchungen international auszuweiten. Seit 2002 stellt sie national und international aus und arbeitete mit der Künstlergruppe „Raum:Selbst“ zusammen. Stipendien und institutionelle Unterstützungen, u.a. von der Carnegie Mellon Universität Pittsburgh, Berliner Senat für Wissenschaft, Bildung und Forschung, Lake Forest Universität in Chicago, IFA und Goethe-Institut begleiten ihren Weg. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Wulf Walter Böttger studierte Architektur an der University of California Berkeley, an der TU Berlin und an der Tongji Universität Shanghai. Stipendien erhielt er vom Museum für Angewandte Kunst, Wien/Los Angeles und vom Rudolph Schindler Research and Residency Program für junge Architekten, Los Angeles. Er war Mitarbeiter in den Wettbewerbsabteilungen von Peter Eisenman Architects, New York und Jun Aoki, Tokyo. Seit 2005 ist er selbstständig und freier Kurator, unter anderem Ko-Kurator mit Matthias Sauerbruch für die Ausstellung „Kultur:Stadt“ an der Akademie der Künste Berlin, 2013. Böttger ist seit 2014 Gastprofessor im Masterstudiengang Architektur an der Chinesisch Deutschen Kunstakademie in Hangzhou/China, einem UdK-Masterprogramm in Zusammenarbeit mit der Chinese Academy of Art.