Lars Weisbrod
Ist die Wirklichkeit nur eine Erfindung alter weißer Männer?
Blockseminar, 2 SWS, 2 LP
Samstags/Sonntags, 10-17 Uhr, 1./2.6.2019 und 22./23.6.2019
Hardenbergstr. 33, Raum 110 (1. WE) und Raum 004 (2. WE)

Wenn wir sagen „Es gibt keine objektive Wahrheit” oder „Alles ist relativ” oder „Die Wirklichkeit ist sozial konstruiert”, dann glauben wir, bescheiden zu sein in unserem Wahrheitsanspruch – und demokratisch. Aber stimmt das überhaupt? Auch die autoritären Kräfte, die Neue Rechte, Trump und Putin argumentieren heute postmodern: Wirklichkeit? Macht sich jeder selbst! Was ihr Lügen nennt, nennen wir alternative Fakten; eure Verschwörungstheorien sind unsere unbequemen Wahrheiten.
Innerhalb der Linken kämpfen ebenfalls zwei Fraktionen gegeneinander: Die einen rücken Identität, individuelle Erfahrung und Subjektivität in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen, die anderen wollen universelle Werte vertreten. All das lässt eine uralte philosophische Frage wieder dringlich werden: Was ist eigentlich Wirklichkeit? Und was kann ich von ihr wissen?
Im Seminar versuchen wir auf diese beiden Fragen Antworten zu finden. Wir diskutieren Argumente aus der Geschichte der Philosophie, zum Beispiel von David Hume, Friedrich Nietzsche und Nelson Goodman. Wir schauen uns an, warum sich ausgerechnet Naturwissenschaftler bei der Suche nach der Wahrheit von so wolkigen Eigenschaften wie Schönheit leiten lassen. Und wir fragen: Was heißt das alles für die Kulturproduktion? Schon längst ist eine allgegenwärtige Forderung an die Kunst zum Klischee geronnen: Sie soll, ganz im Sinne des Relativismus, Wahrnehmungsgewohnheiten und Gewissheiten hinterfragen. Aber warum eigentlich, wenn eh schon alles fraglich ist? Und wenn sowieso alles relativ ist: Warum soll ich dann an den Relativismus glauben?

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige und aktive Teilnahme.

Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: politisch, kritisch
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: reflektieren/denken, artikulieren

Lars Weisbrod, 1985 in Bremen geboren, studierte an der Universität Köln Philosophie, Germanistik sowie Theater- Film- und Fernsehwissenschaft. Am Munich Center for Mathematical Philosophy beschäftige er sich als Doctoral Fellow mit Fragen der sozialen Erkenntnistheorie: Was sind die Voraussetzungen für rationale Meinungsverschiedenheiten? Und wo liegen ihre Grenzen? Anschließend absolvierte er in Hamburg die Henri-Nannen-Journalistenschule. Seit 2014 ist er Redakteur im Feuilleton der Zeit, außerdem schreibt er als Autor für das New York Magazine.