Wir gründen eine Kunsthochschule (E-Seminar)
Leon Vatter
Wir gründen eine Kunsthochschule
E-Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS
Teilnahme mit freier Zeiteinteilung bei den Inputs und den Aufgaben, Beginn 4.5.2020
„Die Interaktion von Umwelt und Organismus ist die direkte oder indirekte Quelle aller Erfahrung“
Bereits 1934 weist John Dewey auf die Gefahren einer zunehmenden Kapitalisierung und Entpolitisierung der Kunst hin und kritisiert die damit einhergehende Trennung von Kunst und Alltag sowie die Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt, seiner Arbeit und schließlich seinen eigenen Erfahrungen.
In seiner programmatischen Schrift Kunst als Erfahrung stellt er das menschliche Gefühl ins Zentrum des künstlerischen Schaffens. Gefühle selbst seien bereits mit Objekten verwoben und existieren nicht Welt-unabhängig im menschlichen Inneren. Eine Wiederherstellung der Kontinuität von Kunst und Leben sei daher geradezu notwendig. Die Kunst als Erfahrung ermögliche dem Menschen schließlich Momente des selbstvergessenen „völligen Sichversenkens in den Gegenstand“.
Erste Versuche einer Übersetzung von Deweys Lektüre in die Konstitution einer Kunsthochschule gab es beispielhaft am Black Mountain College (1933-1957), wo disziplinäre Grenzen aufgehoben wurden, die Grenzen zwischen Leben und Studium verschwommen und künstlerische Arbeiten im Kollektiv entstanden.
Die Lektüre von Auszügen aus Kunst als Erfahrung dient den Teilnehmer*innen als Grundlage, um darauf aufbauend ihre tatsächlichen Erfahrungen in den Mittelpunkt der gemeinsamen Projektarbeit zu stellen. In Zeiten des durch Covid19 bedingten Ausnahmezustands gründen wir eine Kunsthochschule.
Als virtuellen Seminarraum verwenden wir die textbasierte open source-Plattform etherpad. Anstelle von festen Seminarzeiten findet dort ein beständiger akkumulativer Austausch statt.
Literatur:
Dewey, John: Kunst als Erfahrung (Suhrkamp)
Blume, Eugen; Felix, Mathilda; Knapstein, Gabriele; Nichols, Catherine (Hrsg.): Black Mountain. Ein interdisziplinäres Experiment (Spector)
Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein:
Aktive Projektmitarbeit und Erledigung aller Aufgaben, d.h. die Beantwortung von sechs Lektürefragen auf etherpad und ein finaler Beitrag zur Gründung einer Kunsthochschule.
Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: kritisch, vorwärtsgewandt
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: reflektieren/denken, transformieren
Leon Vatter studierte Philosophie und Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und der Universitá di Urbino. Seine Abschlussarbeit schrieb er "Über den Begriff der bevorstehenden Katastrophe im Werk von Walter Benjamin". Neben dem Studium arbeitete er als Tutor im Team des Studium Generale der UdK Berlin und begleitete über fünf Jahre zahlreiche Vorlesungen und Seminare im kulturwissenschaftlichen wie im interdisziplinär-künstlerischen Lehrbereich. 2014-2016 führte er englischsprachige Tutorien zu Byung-Chul Hans Vorlesungen durch. Seit Oktober 2019 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team des Studium Generale.
Foto: Black Mountain College Research Project, Western Regional Archives, Asheville, NC (https://www.flickr.com/photos/davidsilver/8662484251/in/album-72157633263252908)