Techniken und Taktiken der Langsamkeit (Seminar)

Dr. Silvia Mazzini
Techniken und Taktiken der Langsamkeit
Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 LP
Donnerstags, 16-20 Uhr, 14tägig ab 20.10.2016 (8Termine: 20.10., 3.11., 17.11., 1.12., 15.12.2016, 12.1., 26.1., 9.2.2017), Hardenbergstr. 33, Raum 110

Effizienz, Schnelligkeit und leistungsorientierte (Hyper-)Aktivität werden heute immer mehr als Imperative nicht nur im Arbeitsbereich, sondern auch im Alltagsleben empfunden. Ziel dieses Seminars ist es, gegenwärtige soziale, politische und künstlerische Praktiken zu erforschen, welche die Langsamkeit hingegen als Widerstand gegen die Beschleunigung unserer Gesellschaft bewusst anwenden, wie z.B. Bewegungen für Nachhaltigkeit, Slow Tourism, Slow Food, Slow Sex, u.a. Welche politischen und ästhetischen Implikationen ergeben sich aus diesen Praktiken? Welche unterschiedlichen, paradoxen oder widersprüchlichen Formen übernehmen sie in der gegenwärtigen Kultur?

Zuerst werden philosophische Theorien in Bezug auf den Müßiggang als ein politisches „Recht“ (Lafargue), sowie Diskurse der Entschleunigung als Gegensatz zu Werten der materiellen Produktivität (Illich) oder als Bedingung des schöpferischen Handelns (Busch) besprochen. Danach werden die literarischen Bearbeitungen des Themas (Borges, Nadolny) sowie ästhetische Techniken der Langsamkeit in Dramatik und Film (Socìetas R. Sanzio, Kurosawa) analysiert.

Die Teilnehmer*innen werden einzeln oder in Gruppenarbeit Projektskizzen entwickeln oder Essays verfassen, in denen die Langsamkeit als gegenwärtiges soziales und künstlerisches Phänomen thematisiert wird. Abhängig von ihren Interessen und Anliegen wird ein gemeinsames Projekt z.B. in Form einer Installation oder einer Intervention im urbanen Raum realisiert.

Literatur:
Busch, Kathrin und Draxler, Helmut: Theorien der Passivität, 2013.
Han, Byung-Chul: Müdigkeitsgesellschaft, 2010.
Hodgkingson, Tom: Anleitung zur Müßiggang, 2014.
Illich, Ivan: Selbstbegrenzung: eine politische Kritik der Technik, 1973.
Lafargue, Paul: Das Recht auf Faulheit, 1883.
Nadolny, Sten: Die Entdeckung der Langsamkeit, 1983.
Petrini, Carlo (u.a.): Slow-Food-Manifest, 1989.
Rosa, Hartmut: Beschleunigung: die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, 2005.
Russel, Bertrand: In Praise of Idleness, 1935.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige Teilnahme, Projektskizze (einzeln oder in Gruppenarbeit) oder Kurzessays, gemeinsames Projekt.

 

Dr. Silvia Mazzini schloss nach ihrem Studium der Philosophie und Theaterwissenschaften in Mailand ihre Promotion in Ästhetik an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Neben ihrer Monographie „Für eine mannigfaltige, mögliche Welt. Kunst und Politik bei Ernst Bloch und Gianni Vattimo“ (2010) veröffentlichte sie zahlreiche wissenschaftliche Artikel (u.a. zu Ästhetik, Kulturwissenschaft, politischer Philosophie, performativer Rhetorik und Dramaturgie). Seit 2003 ist sie als Autorin und Dramaturgin für unterschiedliche Theatergruppen tätig.