The Ghost in the Machine

Kalle Aldis Laar
The Ghost in the Machine

Blockseminar/Workshop, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS
Freitags, 14-18:30 Uhr s.t., Samstags, 10-14:30 Uhr s.t., 15./16.11.2019, 31.1./1.2.2020 und 7./8.2.2020,
Hardenbergstr. 33, Raum 151

Von Beginn an waren mit der Entwicklung neuer Medien und Kommunikationstechnologien die Geister mit im Spiel. Der Fotoapparat gebar kurz nach seiner Erfindung die Geisterfotographie, Edison wollte mit Phonografen Stimmen aus dem Jenseits einfangen, das Tonbandgerät verhieß dann die Aufzeichnung von Botschaften der Verstorbenen, mit den Radiowellen als immaterielle Vermittler ins Reich der Geister. Und noch 1937 wird bei der Pariser Weltausstellung die (sowieso weiblich konnotierte) Elektrizität als Fee dargestellt. Und das heute so ubiquitäre Telefon? Bell bastelte es zuerst gemeinsam mit seinem Bruder zusammen aus Katzenstimmbändern und Menschenohren.
Der mediale technische Fortschritt wollte damit immer auch über unsere sicht- und greifbare Welt hinausweisen, ins Jenseitige, in das zeitweilig durchaus als natürlich existent empfundene Über-Natürliche.
Im Zeitalter von computerinduzierter und damit ungreifbarer Dominanz und umgeben vom Raunen einer je nach Sichtweise drohenden oder herbeigesehnten KI-Dämmerung widmet sich das Seminar diesen alten und neuen Geisterstimmen, und widmet dabei besondere Aufmerksamkeit dem Telefon. Heutzutage so selbstverständlich und bis zur Unsichtbarkeit allgegenwärtig, ist es fast zu einem Körperteil geworden – und damit keine Spur mehr von der einstigen Gespenstermaschine, die Stimmen direkt in unseren Kopf verpflanzt?
Wir suchen die Geister in den vielen unsichtbaren Wellen die uns umgeben (und die sich ständig vermehren), finden sie vielleicht im (durchaus buchstäblichen) Rauschen der Welt, die neu zu hören wir uns im Seminar erarbeiten werden, u.a. mit Hilfe von Exkursionen und speziellen akustischen Hörübungen.
Bitte bringen Sie ihr Mobiltelefon mit, und wenn vorhanden ein Audio-Aufnahmegerät. Erfahrungen und Aufnahmen bilden am Ende des Seminars die Grundlage für ein (oder mehrere) Hörspiel, ein akustisches Essay oder eine andere gemeinsam gewählte Präsentationsform.

Zur Vorbereitung auf das Seminar wird der Besuch beim Future Soundscapes Festival 2019 empfohlen, und zwar insbesondere:
Samstag, 12. Oktober 2019, 15 Uhr: „Electrical Walk by and with Christina Kubisch through Berlin-Wedding.
Informationen unter: https://www.silent-green.net/film-feld-forschung/future-soundscapes/.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige und aktive Teilnahme, Erarbeitung von Hörspiel, akustischem Essay oder eine anderen Präsentationsform.

Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: orientierend, vorwärtsgewandt
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: artikulieren, transformieren

Kalle Aldis Laar, geboren 1955 als Sohn eines estnischen Vaters und einer lettischen Mutter, Studium der Wissenschaftsgeschichte an der Ludwigs-Maximilians-Universität München, Abschluss als Magister Artium 1982. In den 1980ern Teil der Performancegruppe „Tape Theatre“ in München. Exil-Mitglied der lettischen New Wave Band „19 Jahre vor dem Anfang“, mit Hilfe des neu eröffneten Goethe-Instituts Lehrauftrag an der Musikhochschule Tallinn, Estland, Entwicklung einer Zeichensprache für die Umsetzung improvisierten Dirigierens. Duo-Partnerschaft mit dem in Tokyo lebenden Perkussionisten Takashi Kazamaki, Auftritte auf internationalen Festivals, lange Aufenthalte in Japan und New York, Aufnahme mehrerer CDs. Förderpreise für Musik der Stadt München. Als Solist (Gitarre und Electronics) Teilnahmen an Jazz-Festivals u.a. in Japan, USA, Deutschland (Moers), Estland, Kasachstan. Seit 2001 Hörspielproduktionen für den Bayerischen Rundfunk und den SWR, Komposition von Theatermusik (u.a. Kammerspiele München, Nationaltheater Mannheim). 1996 Gründung des Temporären Klangmuseums mit regelmäßigen Veranstaltungen in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, Aufbau der Sammlung Tonträger-Kultur, Schwerpunkt Zeitgeschichte. Zahlreiche Projekte im pädagogischen Bereich. Electro-Acoustic Poetry Duo „Kunst oder Unfall“ mit seiner Frau Augusta Laar. Seit 2006 Projektentwicklungen mit artcircolo.de (z.B. in Eritrea und der Tschechischen Republik). 2007 Teilnahme an der Biennale in Venedig, seither zahlreiche Ausstellungen (Ars Electronica, Bienal de Habana, Transmediale, ZKM). Weitere Informationen unter www.soundmuseum.com.