Jahresthema 2020-21: "Körper in der Krise" / "Bodies in Crisis"
Körper in der Krise
Die Pandemie konfrontiert uns mit unserer Körperlichkeit. Körper sind im doppelten Sinn in der Krise, nämlich neutral verstanden im Umbruch und negativ verstanden in Gefahr, etwadurch Infektion, durch Marginalisierung oder durch Entfremdung. Aristoteles hielt den Menschen für das Tier, das Gemeinschaften bildet. Im Augenblick suchen wir nicht die Nähe der anderen, sondern sind diejenigen Tiere, die sich maskieren und Abstand halten.
Fremde sind plötzlich nicht mehr Bereicherung, sondern Infektionsquellen. Die Kommunikation dreidimensionaler Personen verlagert sich auf zweidimensionale Bildschirm-Avatare. Die Pandemie begünstigt eine berührungslose Gesellschaft. Auch das Physische, das Materielle der Künste wird zusehends abgelöst durch das Algorithmische. Das auratische Analoge weicht dem generischen Digitalen. Auch Gruppenzugehörigkeiten sind in unsere Leiblichkeit ein- und von außen zugeschrieben, und von anderen an unseren Körper ablesbar: Benachteiligungen durch „Race“, „Class“ und „Gender“ wurden in der Pandemie nicht aufgehoben, sondern verschärft.
Mit der neuen Krise der Körper stellen sich neue Fragen, zum Beispiel: Welche Arten von Teilhabe sind durch digitale Vernetzung möglich oder gerade durch einen Mangel an Zugang in Gefahr? Welche neuen Formen von Gemeinschaft und Aktivismus können entstehen? Wie werden wir nach Phasen der Selbstisolation wieder von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen und arbeiten? Inwieweit ist ästhetische Erfahrung eine körperliche Erfahrung? Welche Krisen kennzeichnen unsere Zeit und wie kann man sie lösen?
Bodies in Crisis
The pandemic has confronted us with our physicality. Bodies are doubly in a crisis, neutrally understood as at a turning point and negatively understood as in danger, either through infection, marginalisation or alienation. Aristotle thought of human beings as animals that build communities. At the current moment, however, we are not seeking the company of others but are the animals wearing masks and keeping our distance.
Suddenly strangers are no longer an enrichment but a source of infection. Communication between three-dimensional people has shifted to communication between two-dimensional avatars. The pandemic favours a contactless society. Even the physicality and materiality of art is increasingly being replaced by the algorithmic. The auratic analogue has given way to the generic digital. Even group affiliations are ascribed to and can be read from our outward appearance. Rather than levelling the inequalities of "race", "class" and "gender", the pandemic has intensified them.
New questions arise along with this new crisis of bodies, such as, what kinds of participation are possible through digital networks or are threatened by lack of access to them? What new forms of community and activism can emerge? How will face-to-face interaction be after these periods of self-isolation? To what extent is aesthetic experience a physical experience? What crises characterise this age and how can they be solved?