Ästhetische Begegnungen III: Ungehorsam und Freiheitsideen

Dr. Gisela Linnen
Ästhetische Begegnungen III: Ungehorsam und Freiheitsideen.
Kooperation, Konkurrenz und Selbstbestimmung im musikalischen Raum des Spekulativen (mit freier musikalischer Gruppenimprovisation)
   
Blockseminar, Deutsch/Englisch, 1-2 SWS, 1-2 ECTS (je nach Leistung), 6 Plätze
Samstags/Sonntags, 10:30 - 14:30 Uhr, 4 Termine:  26.4./27.4. und 3.5./4.5.2025
Mierendorffplatz in der 2. Etage (Musiktherapie-Studiengang)

Anmeldung an g.linnen_ @udk-berlin.de

Ungehorsam und Freiheitsideen sind außermusikalische Aspekte, entstehen und werden spürbar im zwischenmenschlichen Agieren und in theoretischen Konzepten. Sie können aber auch in musikalischen Prozessen als interaktionelle Phänomene hergestellt und hörbar gemacht werden durch unterschiedliche Qualitäten des Interagierens von musikalischem Material, der Perfomance und der ästhetischen Positionierungen. Psychologisch gesehen verbinden beide Aspekte konkretes Erleben und Verhalten mit Denk- und Erkenntnisprozessen. Sie stehen dabei in Verbindung mit persönlichen und gesellschaftlichen Normen und Strukturen, beleuchten Vorlieben, Abneigungen und Gesetzmäßigkeiten des Handelns, des Fühlens und der zwischenmenschlichen Beziehung. Beide Aspekte beinhalten aber auch Tendenzen, Wünsche und Momente der Veränderung und des Widerstands. Im musikalischen Erfahrungsraum werden diese vielfachen Dimensionen spürbar durch ein Zusammenspiel von Offenheit und Ungewissheit, interaktionell erlebbar im Zusammenwirken der Pole von Kooperation und Konkurrenz; sie erscheinen gebündelt im Raum des Spekulativen.

Anhand von freier musikalischer Improvisation in der Gruppe wollen wir diesen Erfahrungsraum zwanglos und ergebnisoffen herstellen und erforschen und mit musiktheoretischen Analysen und diverser wissenschaftlicher Literatur musik- und kunsttheoretisch reflektieren.  Dabei soll der Fokus darauf gelegt werden, in konkretem Erleben und Verhalten einerseits, Gedanklichem und Denkprozess andererseits das Zusammenspiel von individuell Vertrautem und Unbekanntem genau zu beleuchten und miteinander in Gesprächsreflexionen auszutauschen, wo und auf welche Art Aspekte von Ungehorsam und Freiheitsideen auftauchen.

Wie auch in den vorangegangenen Seminaren soll mit Hilfe freier Improvisationsprozesse ermöglicht werden, einen musikalischen und sozialen Raum durch kollaborative Werkprozesse schaffen zu können und der Vulnerabilität menschlicher Existenz Platz zu bieten. Als Orientierung nutzt das Format des Seminars Konzepte aus der Musiktherapie, die den Klang, das Tönen als narrativen Ausdrucksträger einsetzen, um inneres Erleben – ins (Kunst-)Werk gesetzt – zu kommunizieren. Der therapeutisch orientierte ästhetische Spielraum wird als eine Art Schutzraum gesehen, in dem innere Unsicherheiten und Widersprüchen ohne Entscheidungsnot erscheinen, gefahrlos ausgedrückt, wahr- und angenommen werden können. Das bietet auch im Seminar die Chance, in der Gruppe daran zu arbeiten, paradoxen Situationen zu begegnen, sie miteinander im ästhetischen „Probehandeln“ zu gestalten und in Transformationsprozessen weiterzuentwickeln. Ergänzend dazu wird das Entdecken und Anwenden von expressiven Vokabularien mit Hilfe musiktheoretischer Reflexion individuell und kollaborativ in der Gruppe erforscht und vertieft.

Die Zahl der Teilnehmenden ist auf gesamt 12 Personen begrenzt. Es sind keine musikalischen Vorkenntnisse nötig. Es wird vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung gestellt.

Leistungsanforderungen:
Für 1 ECTS:
Aktive und regelmäßige Teilnahme an allen Sitzungen. Zum Ende des Seminars soll eine formlose schriftlich angefertigte Reflexion der persönlichen Erfahrungen zum Seminarthema eingereicht werden (ca. 3 Seiten). Zur Anregung und Unterstützung wird ein pdf-Reader zur Verfügung gestellt.
Für 2 ECTS: Aktive und regelmäßige Teilnahme an allen Sitzungen. Zum Ende des Seminars soll eine Reflexion der persönlichen Erfahrungen zum Seminarthema in Form eines Essays (ca. 5 Seiten) eingereicht werden. Umfangreiche Lektüre des Readers wird vorausgesetzt.    

Gisela Linnen, Studium der Fächer Klavier, Musiktherapie und Musiktheorie an der Universität der Künste Berlin, Promotion (Dr. phil.) im Fach Musiktherapie an der Uni  Münster. Gastprofessorin für Musiktheorie an der UdK Berlin (April 2024 bis März 2025). Derzeit tätig als Gastdozentin für Forschung im Berich Music Therapy im Master of  Arts Therapies an der Codarts hoogeschool voor de kunsten in Rotterdam und als klinische Musiktherapeutin in der ambulanten psychiatrischen und palliativen Versorgung in Berlin und Nürnberg. Besonderes Forschungsinteresse an musikalischer Stilbildung und psychohistorischen Effekten.