Gewalt und Macht

Prof. Dr. Philipp Hübl
Gewalt und Macht

Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Montags, 16-18 Uhr, wöchentlich ab 24.10.2022, Fasanenstraße 86, LDI-Seminarraum (im EG) Bitte pünktlich kommen!

Anmeldung ab 17.10.2022 auf Moodle: https://moodle.udk-berlin.de/moodle/course/view.php?id=1655
Moodle Einschreibeschlüssel / Moodle Enrollment Key: gewalt


Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Gräueltaten: Folter, öffentliche Hinrichtungen, „peinliche“ Strafen und die Züchtigung von Kindern waren bis ins vorletzte Jahrhundert weltweit verbreitet. Noch heute sind in einigen Ländern Steinigungen und Auspeitschungen rechtlich geforderte Sanktionen. Jährlich sterben etwa 400.000 Menschen durch Gewalt. In Europa liegt der letzte Genozid nur wenige Jahrzehnte zurück. Gewalt gehört offenbar ebenso zum Menschsein wie Liebe und Kooperation. Liegt die Gewaltbereitschaft in unserer Natur? Ist sie die Folge angeborener Grundemotionen oder eher Ausdruck kultureller Prägung? Und welche Rolle spielt der soziale Statuskampf, mit dem sowohl Erfahrungen von Abwertung als auch Überlegenheitsgefühle der eigenen Gruppe oder Klasse einhergehen?

Im Seminar schauen wir uns Arten von Gewalt aus philosophischer, psychologischer und soziologischer Perspektive an. Von der direkten körperlichen Gewalt unterscheidet die Forschung verbale, strukturelle und soziale Formen. Auch die Auslöser sind vielfältig: Nicht nur Wut und verwandte Emotionen wie Ekel, Hass und Neid sind oft Ursachen von Aggressionen. Menschen setzen Gewalt auch als Mittel ein, um Macht und Status zu demonstrieren und um andere Gruppen zu unterdrücken. Macht kann man als Potentialität verstehen, als Fähigkeit und Möglichkeit, verschiedene Formen von Gewalt anzuwenden. 

Im zweiten Teil des Seminars werfen wir einen Blick auf die kulturelle Dimension von Gewalt. Wie haben Kulturtechniken und Institutionen wie Handel, Staatlichkeit, Aufklärung und Gleichberechtigung die Menschen zum Gewaltverzicht gebracht? Rohe Grausamkeiten haben weltweit nachgelassen, auch wenn die Tagesnachrichten einen gegenteiligen Eindruck erwecken. Allerdings haben kulturelle Techniken auch Schattenseiten: Sie haben Individuen und Nationen Vorteile verschafft, die sie wiederum aggressiv ausgenutzt haben, um andere zu unterdrücken. Gerade die digitale Kommunikation befördert die Enthemmung und Hass. Wie fragil der moderne gesellschaftliche Friede ist, zeigen nicht nur der Krieg in der Ukraine, sondern auch viele sozialpsychologische Studien: Autorität, Konformität und Ideologie können dazu führen, dass Menschen ihr natürliches Mitgefühl ausschalten, indem sie ihre Feinde nicht mehr als Menschen ansehen. Wir lesen unter anderem Texte von Diamond, Elias, Emcke, Ferguson, Haslam, Henrich, Fiske, Pinker, Sapolsky und Zick.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium Generale Leistungsschein: regelmäßige Teilnahme an den Diskussionen, regelmäßige Lektüre, Referat zu einem Thema.

Philipp Hübl ist Philosoph und Autor der Bücher „Die aufgeregte Gesellschaft“ (2019), „Bullshit-Resistenz (2018), „Der Untergrund des Denkens“ (2015) und „Folge dem weißen Kaninchen“ (2012) sowie von Beiträgen zu gesellschaftlichen und politischen Themen, unter anderem in der Zeit, FAZ, taz, NZZ, auf Deutschlandradio und im Philosophie Magazin. Hübl hat Theoretische Philosophie an der RWTH Aachen, der Humboldt-Universität Berlin und zuletzt als Juniorprofessor an der Universität Stuttgart gelehrt. Studium der Philosophie und Sprachwissenschaft in Berlin, Berkeley, New York und Oxford. Seit dem WS 2020/21 ist Philipp Hübl Gastprofessor für Kulturwissenschaften im Studium Generale der UdK Berlin. .Weitere Informationen unter http://philipphuebl.com.