Feministische Technikphilosophie
Dr. Janina Loh
Feministische Technikphilosophie
Blockseminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS
Einstiegsblock: Freitag, 22.4., 14-17:30 Uhr und Samstag, 23.4, 11:30-15 Uhr
Ferienblock: Montag - Mittwoch, 1.-3.8., jeweils 11:30-17 Uhr
Hardenbergstr. 33, Raum 004 (22./23.4.) und Raum 110 (1.-3.8.2022)
Seit der zweiten Welle der Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann von einem wachsenden Bewusstsein für die Notwendigkeit einer kritischen Hinterfragung der Wissenschaften sowie einer Auseinandersetzung mit Technik (im Sinne von Techniken und Technologien) in feministischen Kreisen gesprochen werden. Wissenschaft und Technik wurden aus feministischer Perspektive von Anfang an nicht nur im Lichte eines vermuteten emanzipatorischen Potenzials gesehen (The Dialectic of Sex, Firestone 1970; Woman on the Edge of Time, Piercy 1976), sondern aufgrund der ihnen vorgeworfenen inhärent eingeschriebenen Logiken der Dominanz, Gewalt und Zerstörung (Between Monsters, Goddesses and Cyborgs, Lykke 1999: 2) auch heftig kritisiert und schlichtweg abgelehnt (Our Bodies, Ourselves, Boston Women 1971; Wanderground, Gearhart 1979).
In diesem Seminar werden wir zum einen klassische Positionen der feministischen Technikphilosophie lesen – wie bspw. Judy Wajcman und Donna Haraway. Zum anderen soll anhand des sog. „material turn“ und der damit verbundenen Strömung eines (neuen) Materialistischen Feminismus ein Einblick in aktuelle Ansätze feministisch-technikphilosophischen Denkens gegeben werden, die die tradierten Dichotomien von Natur und Kultur/Technik/ Wissenschaft aufbrechen und darüber auch neue Subjekte im Ringen um Sichtbarkeit und Akzeptanz vorstellen.
Das Seminar folgt einem dreigliedrigen Aufbau: Im ersten Teil diskutieren wir, unter welchen Bedingungen etwas als eine feministische Technologie zu verstehen ist. Im zweiten Teil werden wir fünf feministische Strömungen kennenlernen, nämlich Donna Haraways Cyborgfeminismus, Judy Wajcmans Technofeminismus, der Xenofeminismus des Laboria Cuboniks Kollektivs sowie Legacy Russells Glitch Feminismus und der sich verstärkt in digitalen Kunstformen äußernde Netzfeminismus. Im Glitch Feminismus und Netzfeminismus verschwimmt die Grenze zwischen feministischer Technikreflexion, Aktivismus und Kunst zusehends. Im dritten Teil versuchen wir endgültig den Schritt von der feministischen Theorie zur Praxis: über Lucy Suchmans nicht-statisches, prozessuales Verständnis von Menschen und Maschinen, über Paul B. Preciados kontrasexuelles Manifest, das uns zu einer gesellschaftlichen Revolution auffordert, bis hin zu Yvonne Volkarts künstlerisch-aktivistischer Vision eines Techno-Öko-Feminismus.
Literatur: wird vollständig digital zur Verfügung gestellt sowie einige Texte zur freiwilligen weiteren Lektüre.
Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: aktive, regelmäßige Teilnahme. Die Student*innen müssen bis zum Seminarbeginn im August zu einigen Texten Lektürefragen beantworten.
Janina Loh ist Philosophin und hat eine Stabsstelle Ethik bei der Stiftung Liebenau inne. Sie studierte und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin und von 2009 bis 2013 im Rahmen des von der DFG finanzierten Graduiertenkollegs Verfassung jenseits des Staates: Von der europäischen zur Globalen Rechtsgemeinschaft? bei Prof. Volker Gerhardt und Prof. Rahel Jaeggi. Ihre Dissertation „Verantwortung als Begriff, Fähigkeit, Aufgabe. Eine Drei-Ebenen-Analyse“ erschien (unter dem Geburtsnamen Janina Sombetzki) 2014 bei Springer VS.2018 veröffentlichte sie die erste deutschsprachige Einführung in den Trans- und Posthumanismus (Junius, 3. Auflage 2020). Ihre Einführung in die Roboterethik (Suhrkamp) erschien 2019. Derzeit arbeitet sie an ihrer Habilitationsschrift „Inklusive Ethik der Gefährt*innenschaft für die Wissensräume“.