UnSichtbare Grenzen
Analogfotografien über die Grenzen hinweg
Ausstellungseröffnung 02.06.2024, 14 Uhr, Spore Initiative, Berlin Neukölln
Fotokunstausstellung und Kooperationsprojekt der Grundschule der Künste Berlin, der Bruno-Taut-Schule Neukölln und des Sirkhane Darkroom Mardin/Türkei
Ausstellungsdauer und Ort: 02.06.-10.07.2024, Spore Haus, Hermannstr.86, 12051 Berlin
Migration bedeutet Wandel und Veränderung. Gerade in der Kindheit hinterlassen Krieg, Flucht und freiwillige und erzwungene Migration bleibende Spuren bei Menschen, die in einem sehr jungen Alter lernen, was es bedeutet das Vertraute hinter sich zu lassen, und sich notgedrungen auf eine neue Umgebung, oft verbunden mit einer neuen Sprache und neuen Lebensbedingungen, einzulassen. In einer solch schwierigen Lage ist es geflüchteten und migrierten Kindern oft nicht möglich, sich auf das Spielen, Experimentieren und Lernen einzulassen. Oft müssen sie sogar in jungen Jahren arbeiten, um das Überleben der eigenen Familie zu sichern.
Unter Leitung von Saboura Naqshband und Ulaş Aktaş führt die Grundschule der Künste seit 2023 eine erfolgreiche Kooperation mit dem syrischen Künstler und Fotografen Serbest Salih, und den Kindern des Sirkhane Darkroom Projekts in Mardin, in der osttürkischen Grenzregion zu Syrien. Das Sirkhane Darkroom Projekt ermöglicht es geflüchteten Kindern unterschiedlicher Herkünfte, zusammen mit lokal ansässigen türkischen Kindern, spielerisch ihren eigenen Blick auf die Welt und ihre Umgebung fotografisch zu erkunden, diese Fotografien im Fotolabor, selbst zu entwickeln. und mit der Welt zu teilen. Viele der teilnehmenden Kinder in sind aus Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens in die östliche Türkei geflüchtet. Diese Region ist zudem immer noch schwer gezeichnet durch die Erdbeben des letzten Jahres. So entstehen trotz der schwierigen Umstände persönliche Fotografien ihrer Umgebung, ihrer Freund*innenschaften, ihres Alltag, ihrer selbst und ihrer Familien. Das unmittelbare Lebensumfeld wird zum Mittelpunkt der Linse. Die Fotografien sind über das Internet, insbesondere den Instagram-Kanal @sirkhanedarkroom, für alle zugänglich und einsehbar.
Inspiriert von diesen Fotografien führten Studierende des MAERZ-Seminars der Grundschule der Künste im laufenden Wintersemester 2023/24, konkret im Januar 2024, unter der Leitung von Saboura Naqshband, ein Schulprojekt in der vierten Klasse der Bruno-Taut-Grundschule zu den künstlerischen Fotodokumenten des Sirkhane Darkroom-Projekts durch. Mithilfe der Methode der „Foto- und Video Korrespondenz" (Leila Saadna) entstehen an drei Sitzungen im Januar ästhetische Zeugnisse, die ähnlich den Fotografien der syrisch-türkischen Kinder, die Themen Freundschaft, Schule, Familie, und die eigene Lebensumgebung und Umwelt, abbilden. Die drei Sitzungsthemen sind ‚Grenzen‘‚ Gemeinsamkeiten und Differenzen‘, sowie ‚Zuhause‘.
Die Kinder setzen sich mit dem Medium der Fotografie auseinander, um ihre Erfahrung und ihren Blick auf die Welt einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Durch das partizipative Projekt zwischen Berlin und der Osttürkei, ist es unser Ziel, über die Sprache der Künste die sichtbaren wie *UnSichtbaren Grenzen* zwischen diesen Weltregionen sichtbar zu machen, und gleichzeitig eine Brücke über das ‚Schwarze Mittelmeer‘ (Di Maio 2012) zu schlagen. Während Kunstpädagogik oft, so Maria do Mar Castro Varela euphorisch als Reisen zur Kunst beschrieben wird, verbirgt sich hinter dieser Metapher die Verschleierung des Reisens als Teil der imperialen Vormachtstellung über große Teile der Welt durch den Kolonialismus, symbolisiert im tödlichen Schwarzen Mittelmeer.1 Durch ästhetische Mittel erschaffen die Kinder eine kommunikative Brücke, über die sie die verhärteten Mauern und tödlichen Grenzen der Erwachsenenwelt umschiffen, und diesen ihre eigenen Wünsche und eigenen künstlerischen Ausdruck entgegenstellen können. Somit durchbrechen sie diese teilweise und treten transnational miteinander in Verbindung. Mithilfe ästhetischer Zugänge ermöglicht das Fotokunst- und Austellungsprojekt *UnSichtbare Grenzen* also eine Reflexion über Ästhetik und Kindheit vor dem Hintergrund von Krieg, Flucht, Migrationsregimen, Rassismus und Diskriminierung. Dieser Ansatz einer kritischen postkolonialen Pädagogik fixiert also keine Ziele, sondern kann durch die Hinzuziehung der Kunst einen Raum schaffen, der die Zweifel am Bestehendem zulässt und materialisiert. Er lehrt ein System in Frage zu stellen, ohne sofort fertige Antworten zu liefern oder eine „bessere Welt“ zu propagieren.2
Die Ausstellung stellt einen wichtigen Teil des partizipativen Forschungsprojekts dar, da hierdurch nicht nur die Ungleichheitsverhältnisse, die Kindheit in der Migrationsgesellschaft prägen, ersichtlich werden sollen, sondern außerdem die Kinder selbst im Sinne einer engagierten und partizipativen Kunstdidaktik zu Akteur*innen in der Migrationsgesellschaft transformiert werden.
Die aus dem Seminar- und Schulprojekt entstandenen Foto-, Video- und Audiodokumente werden in der letzten Projektphase (Juni 2024) in Konversation mit den Fotografien des Sirkhane Darkroom-Projekts ausgestellt. Ausstellungsort ist die Spore Initiative sein – ein Begegnungszentrum im Herzen von Neukölln, welches zentral mit Dekolonisierung, Umwelt und den Künsten arbeitet, und für Kinder und Familien in Neukölln zugänglich ist. Die Ausstellung findet vom 02. Juni bis 10. Juli 2024 statt und wird am 02.Juni 2024 mit der Menschenrechtsaktivist*in Sara Mardini, dem Künstler Serbest Salih aus Mardin, der Künstler*in und Kunstpädagogin Cana Bilir-Meier und den beteiligten Studierenden der GdK, sowie Schüler*innen und Lehrer*innen der Bruno-Taut-Schule eröffnet.
Die Ausstellung durch ein strukturiertes Kunstvermittlungsprogramm begleitet. Hierfür konnten wir den Künstler Rüzgar Buski erwerben, der in drei Sitzungen partizipativ mit den Kindern anhand der Fotografien in seiner mobilen Siebdruckwerkstatt Motive zu Zusammen-Fluss und Migration auf T-Shirts drucken wird. Außerdem haben sich zwei Mitarbeiter*innen des Sirkhane Darkroom-Projekts aus der Türkei dazu bereit erklärt zur Ausstellungsphase nach Berlin zu reisen, und hier im Rahmen der Ausstellung Workshops zu Fotografie, Kindheit, Migration und Umwelt anzubieten.
Zielgruppe der Ausstellung sind also Kinder, Jugendliche, Schulklassen, Pädagog*innen und die breite Öffentlichkeit. Eine besondere Einladung erfolgt an die Eltern und Freund*innen der Schüler*innen, die eine Gelegenheit erhalten sollen, mit ihren Kindern barrierearm Zugang zu künstlerischen Institutionen in Berlin zu erhalten.
1 Castro Varela, María do Mar / Dhawan, Nikita (2009):“Breaking the Rules. Bildung und Postkolonialismus.“, S.340
2 Ebd.