Weiterbauen, Weiterdenken. Neue Häuser für Martin Luther. Die musealen Erweiterungen in Wittenberg, Eisleben und Mansfeld.
Hg. v. Matthias Noell. Mit Fotografien von Tomasz Lewandowski. München 2017. Mit Beiträgen von Matthias Noell, Stefan Rhein, Ulrike Wendland, Susanne Hauser und Jürgen Tietz. Layout und Satz: Ferdinand Ulrich
Das Jahr 2017 beendet die zur Lutherdekade ausgerufene Folge von Themenjahren rund um den Mansfeldischen Reformator und sein als Thesenanschlag berühmt gewordenes Manifest. Bild-, Schrift- und Musikwelten, Bildung, Freiheit und Politik wurden in ihrer jeweiligen Relation zur Reformation beleuchtet und an ein interessiertes, vor allem aber wachsendes Publikum vermittelt. Das Ende der Jubiläumsveranstaltungen stellt damit auch einen vorläufigen Kulminationspunkt einer touristischen Inszenierung von Vergangenheit par excellence dar.
Dass sich das Interesse an Martin Luther ausgerechnet in einem weitestgehend säkularisierten Umfeld ausbreiten und etablieren konnte, zählt zu den seltsamen Paradoxien dieser Region. An dieser erstaunlich lang andauernden und ununterbrochenen Vergegenwärtigung haben daher vor allem die protestantischen und bildungsbürgerlichen Pilger und Touristen ihren Anteil – aus Nordamerika, Südkorea oder Europa. Sind es doch deren Projektionen von außen, die sich schon frühzeitig in Wittenberg, Eisleben und Mansfeld, aber natürlich auch auf der Wartburg, in Erfurt oder in Hohenschwangau an den konkreten und überlieferten Orten festmachten. Auch in unserer digitalisierten Zeit scheint ein Nacherleben am ehesten in räumlicher Nähe zu den baulichen und dinglichen Überresten möglich.
Die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt reagierte auf dieses steigende Interesse mit einer programmatischen Aktualisierung. Die Komplexität des modernen Kulturtourismus forderte einerseits die Erhaltung der Artefakte und Orte, gleichzeitig jedoch maximale Zugänglichkeit und eine glaubwürdige sowie nachvollziehbare Präsentation. Das aus diesen vielfältigen Anforderungen resultierende, breit angelegte Bauprogramm entlastet die betroffenen Stätten, die nun die Vergegenwärtigung der Vergangenheit ungetrübt übernehmen können, und stellt neue Räume für den Ausstellungsbetrieb sowie für Verwaltung und Archivierung zur Verfügung. Die neu errichteten Bauten vermitteln zwischen den nur schwer zu vereinenden Funktionen: dem Wunsch nach Erhaltung und möglichst authentischem Erleben einerseits, und den Anforderungen an eine zeitgemäße Kulturindustrie andererseits.
Die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt blickt auf eineinhalb äußerst ereignisreiche und prägende Jahrzehnte zurück; die architektonischen Resultate können sich auch im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Weiterbauen, weiterdenken. Neue Häuser für Martin Luther
dokumentiert das architektonische, das konstruktive Engagement in der Landschaft der Reformation. Das Buch zieht eine Zwischenbilanz und versucht durch eine erneute Bildproduktion einen kritischen Blick auf das komplexe Handlungsfeld zwischen Denkmalpflege und Architektur, Ausstellungsbetrieb und Geschichtskonstruktion, Landesentwicklung und Tourismus zu werfen. Erinnern ist keine statische, keine abgeschlossene Angelegenheit – die Reformationslandschaft und ihre Wahrnehmung werden auch nach dem Jubiläumsjahr durch weitere Bilder reproduziert, verdichtet und verändert werden. Die neuen Häuser für Martin Luther und auch dieses Buch sind Bestandteile dieser Prozesse.
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