FAKTEN SCHAFFEN. Von der Kunst und der Wissenschaft des Dokumentierens
Veranstaltungsreihe des DFG-Graduiertenkollegs „Das Wissen der Künste“
Montags, 18-20 Uhr
Universität der Künste, Berlin
Hardenbergstr. 33
Raum 310
10623 Berlin
Das Dokumentieren ist aus den Wissenschaften und den Künsten nicht mehr wegzudenken. Es stellt eine bestimmte Art der Wissenserschließung dar, bei der Sachverhalte gleichzeitig festgehalten, belegt und vermittelt werden. Damit sind dokumentierende Praktiken spezifisch für das 20. und 21. Jahrhundert, denn sie verdanken sich einer Wissenschaftskultur, in der empirische Beweise zum zentralen Bestandteil methodologischer Selbstbeschreibungen der akademischen Disziplinen wurden. Im Laufe des 19. Jahrhundert etablierten sich die meisten der heute geläufigen Techniken und Verfahren des Dokumentierens, wie die Fotografie, der Film oder die Tonaufnahme sowie die Standardisierung von schriftlichen und visuellen Aufzeichnungen. In den 1930er Jahren wurden diese dokumentarischen Techniken und Verfahren als spezifische Art des Darstellens in den Künsten aufgegriffen und während des 20. Jahrhunderts auf vielfältige Weise in den Kanon künstlerischer Darstellungsverfahren aufgenommen. Dokumentieren stellt somit eine Schnittstelle zwischen den Künsten und den Wissenschaften dar, für die die Gleichzeitigkeit von Wissensvermittlung und -erzeugung charakteristisch ist. Mit der Inanspruchnahme der Autorität von Dokumenten schaffen Künste und Wissenschaften Wirklichkeiten, die elementar auf die Wissenserzeugung beider rückwirken. Doch nicht nur die Erschaffung von Dokumenten bestimmt das Wissen der Künste und der Wissenschaften, sondern auch der Umgang mit bereits bestehenden Dokumenten formt das Verständnis von Wirklichkeit und Fiktion.
Sowohl in den Künsten als auch in den Wissenschaften werfen dokumentierende Praktiken Fragen nach Material und Materialität, medialen und technischen Bedingungen, Räumen und Institutionen, Wahrheit bzw. Wirklichkeit und Fiktion sowie nach der Erzeugung von Wirklichkeit(en) auf:
- Was bedeuten Material und Materialität für dokumentarische Verfahren sowie den Umgang mit Dokumenten? Was lässt sich durch eine Schärfung des Materialbegriffs hierfür gewinnen?
- Wie lässt sich die Verflochtenheit von dokumentierenden Darstellungsverfahren mit technischen und medialen Entwicklungen bestimmen?
- Inwiefern sind Legitimierungen des Wirklichkeitsbezugs und Wahrheitsgehalts dokumentarischer Darstellungen an technische und mediale Dispositive geknüpft?
- Auf welche Weise bedingen Räume, Akteur_innen und Institutionen, wie die Strukturen von Archiven, künstlerische und wissenschaftliche Arbeit mit Dokumenten?
- Und welche Formen von Archiven werden in den Wissenschaften und in den Künsten selbst hergestellt?
- Wie können mediale Transfers in dokumentierenden Praktiken gefasst und reflektiert werden?
- Inwiefern ist dokumentieren eine Arbeit an der Grenze von Fiktion und Wirklichkeit? Welche Strategien wurden entworfen, mit dem Spannungsfeld von Dokumentation und Fiktion umzugehen?
- Wie wird die Herstellung von Wirklichkeit durch Dokumente in den Wissenschaften und in den Künsten reflektiert?
In der Veranstaltungsreihe „FAKTEN SCHAFFEN“ kommen Wissenschaftler_innen und Künstler_innen zu Wort, die aktuell zum und mit dem Dokumentieren als künstlerische und wissenschaftliche Methode arbeiten. Sie stellen an sieben Montagabenden ihre Perspektiven, Positionen und Ansätze zu den unterschiedlichen Ausformungen, Qualitäten und Funktionen des Dokumentierens vor.
Termine
7.11.2016 Reconsidering the Shape of Evidence. Visual Documents in and Beyond Contemporary Art (Vortrag in englischer Sprache)
Sophie Berrebi (Universität von Amsterdam)
21.11.2016 Narrative, Institutionen und Akteur_innen der Archivierung von Theater
Kurzvorträge mit anschließendem Podiumsgespräch von
Stefanie Wenner (Hochschule für Bildende Kunst Dresden, Archiv des freien Theaters) und
Erdmut Wizisla (Bertolt-Brecht-Archiv und Walter Benjamin Archiv der Akademie der Künste Berlin)
5.12.2016 Der zukünftigen Erinnerung überliefern – Dokumente der Vergangenheit im Denkmalinventar (Vortrag)
Matthias Noell (Universität der Künste Berlin)
9.1.2017 Schiffbruch mit Zuschauer: Philip Scheffners „Havarie“ und die Arbeit des Dokumentarfilms an einer Daseinsmetapher (Vortrag)
Friedrich Balke (Ruhr-Universität Bochum)
23.1.2017 Fakt und Fiktion in der Videokunst
Künstlerpräsentation (in englischer Sprache) von
John Smith (video artist, London) und anschließendes Gespräch mit
Volker Pantenburg (Freie Universität Berlin)
6.2.2017 Aufzeichnen und Vermitteln darstellender Kunst durch Dokumentationen
Kurzvorträge mit anschließendem Podiumsgespräch von
Franz Anton Cramer (Paris Lodron-Universität Salzburg) und
Virginia Thielicke (Theaterpädagogin, Hamburg)
13.2.2017 Poetiken und Politiken wissenschaftlicher Sound-Archive
Kurzvorträge mit anschließendem Podiumsgespräch von
Gilles Aubry (sound artist, Berlin) und
Viktoria Tkaczyk (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin)
Konzeption: Ina Driemel, Barbara Gronau, Lisa Großmann, Robert Patz und Renate Wöhrer
Organisation: Maja Figge, Leoni Grützmacher, Friederike Biebl