Was war Design?

Quelle: Elias Hanzer und Lucas Liccini

Programm

Was war Design?

Tagung des Instituts für Geschichte und Theorie der Gestaltung
8./9. Dezember 2017 an der Universität der Künste Berlin                    
Charlotte-Salomon-Saal
Hardenbergstr. 33 (Raum 102), 10623 Berlin

Konzept / Organisation: Tashy Endres, Susanne Hauser, Lutz Hengst, Kathrin Peters und Judith Siegmund

Bemühungen und Ansätze, Designpraxis und Designbegriff neu zu konzeptualisieren, finden sich seit ein paar Jahren in großer Zahl: Design Methods, Design Thinking, Design Research, Speculative Design u. a. Die Veranstaltung setzt sich weniger zum Ziel, nach der Relevanz und Neuheit dieser Ansätze im Einzelnen zu fragen, sondern möchte vielmehr den gegenwärtigen Designdiskurs selbst unter-suchen und damit die Veränderungen des Designbegriffs – historisch, politisch, institutionell, ökonomisch, ästhetisch – in den Blick nehmen. Festzustellen ist zunächst die Tendenz, Design zu professionalisieren und als wissen(schaft)s-relevant zu setzen.

Die Tagung „Was war Design?“ greift die sozusagen alte Zukunftsorientierung von Design auf, wenn sie nach aktuellen Forschungen fragt. In drei Sektionen untersuchen wir eine Genealogie von Gestaltung, gehen dem Status von Designtheorien nach und rücken gegenwärtige Politiken von Design in den Fokus.

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. 

Fr. 8.12.17

14 Uhr
Begrüßung: Thomas Düllo, Dekan der Fakultät Gestaltung
Einführung: Susanne Hauser

 

Genealogie des Designs: Zäsuren und Zeitlosigkeiten in der Gestaltung         
Moderation: Lutz Hengst / Kathrin Peters

14.15–15.45
Gerda Breuer
Die sogenannte Bauhausmoderne

Was war Design? Judith Raum
Stoffbesprechung. Zum Werk der Bauhaus-Weberin Otti Berger

16–17
Christopher Haaf / Thomas Hensel / Linus Rapp / Steffen Siegel
"Design als Zauberformel“ – Gestaltung an der HfG Ulm zwischen moralischem Anspruch und politischer Realität

17.30–19
Gabriele Schabacher
Design und Repair. Zur Kreativität des Wiederherstellens

Martin Conrads / Franziska Morlok
Was war Designarchäologie?

 

Sa. 9.12.17

Philosophie und Design: Beiträge zur aktuellen Debatte
Moderation: Kathrin Busch

10–11.30
Anke Haarmann
Zu einer besinnlichen Designtheorie im Zeitalter allgemeiner Aufregung

Gerhard Schweppenhäuser
Kommunikationsdesign und visuelle Dialektik der Aufklärung

12–13.30
Daniel Martin Feige
Was war Funktion?
Was war Design?

Judith Siegmund
Kunst und Design im Wechselverhältnis von Funktionalität und Nichtfunktionalität

 

Politiken des Designs: Umkämpfte Prozesse der (un-)sichtbaren Gestaltung Berlins 
Moderation: Tashy Endres 

15–17 Kurzvorträge und Diskussion

Noa K. Ha
Exklusion durch Urban Design

Robert Burghardt
Design als (politischer) Prozess

Andrej Holm
Mehr als Design: Wohnungspolitische Aspekte der Berliner
Stadtentwicklung

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Flyer

Gerda Breuer
Die sogenannte Bauhausmoderne

Die Singularität, die man dem historischen Bauhaus seit langem in Hinblick auf die gestalterische Moderne zuspricht, zeigt sich allein in den Begriffen „Bauhausmoderne“, „Bauhausstil“, „Bauhausarchitektur“ und „Bauhausdesign“. Künstler, die nur kurzzeitig das Bauhaus besucht haben und deren Arbeit auch anderen Einflüssen unterlag, firmieren unter dem Begriff „Bauhauskünstler“. „Bauhaus“ ist ein Label für die gesamte Moderne geworden, das bis heute in einer überzogenen Bedeutungszuschreibung weiterlebt.
Im Vortrag sollen einerseits einige Elemente, Strukturen und Etappen dieser Wirkung skizziert werden, mehr jedoch soll die Institution Designgeschichte und ihre Historiografie vor dem Horizont der Mythisierung des Bauhauses beschrieben werden.

Gerda Breuer war bis 2014 Professorin für Kunst- und Designgeschichte an der Universität Wuppertal, Vorsitzende des Instituts für angewandte Kunst- und Bildwissenschaften und Leiterin der dortigen Designsammlung. Von 2005 bis 2012 war sie Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Stiftung Bauhaus Dessau. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zur Kunst-, Fotografie- und Designgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Judith Raum
Stoffbesprechung. Zum Werk der Bauhaus-Weberin Otti Berger

Im Vortrag werde ich meine künstlerischen Recherchebewegungen zur Textilgestalterin Otti Berger (1898–1944) nachzeichnen, die von Archivbesuchen über webtechnische Analysen einzelner Stoffe bis hin zu Funden vergessen geglaubter Werke und zur Neuwebung eines ihrer Vorhangstoffe aus der Bauhauszeit führten. Berger ist eine der herausragenden Vertreter_innen der Bauhausweberei der Dessauer Zeit. Den sozialen und ästhetischen Forderungen unter Hannes Meyer folgend besteht ihr textiles Werk fast ausschließlich in Gebrauchsstoffen, also Möbelbezugs-, Vorhang- und Wandspannstoffen. Die Praxis der Textilwerkstatt am Bauhaus – vom Weben am Handwebstuhl zu Entwürfen für die Industrie – versuchte sie auch mit Blick auf eigene Lehrkonzepte weiterzudenken. Von Otti Berger stammen mehrere Texte zur Zweckbestimmung von Stoffen und zum Verhältnis von Stoff und Raum, die das textile Medium im modernistischen Architekturdiskurs der Zeit platzieren. Sie führte außerdem Zeit ihres Lebens einen Kampf um namentliche Nennung und um Patentrechte für ihre Stoffe. 

Judith Raum  ist Künstlerin und Autorin, sie arbeitet im Spannungsfeld zwischen sozial- und wirtschaftshistorischer Recherche sowie künstlerischem Begehren. Kürzlich entstand eine Installation zur Textilwerkstatt am Bauhaus, die die Gebrauchsstoffe der Bauhausweber_innen in den Blick nimmt – auch mithilfe von Neuwebungen (Das Ereignis eines Fadens / The Event of a Thread, Kunsthaus Dresden, bis 28.1.2018).

Christopher Haaf, Thomas Hensel, Linus Rapp, Steffen Siegel
„Design als Zauberformel“ – Gestaltung an der HfG Ulm zwischen moralischem Anspruch und politischer Realität

Die Wunden, die die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts der Gestaltung geschlagen hatten, waren nicht nur ästhetischer Art, sondern hatten den Dingen auch ihre Glaubwürdigkeit genommen. Die nach Kriegsende einsetzenden Debatten prägte die Hochschule für Gestaltung Ulm als räumlicher und personeller Verdichtungspunkt. Gestaltung war in den Augen der Ulmer zunächst eine moralische und soziale Aufgabe, die zum kulturellen Aufbau der Nachkriegsgesellschaft beitragen sollte. Doch welche Rolle spielte der auf dem Kuhberg formulierte moralische Anspruch – „Design als Zauberformel“ (Maldonado) – bei der Etablierung des Industriedesigns in der Nachkriegszeit?

Thomas Hensel ist seit 2013 Professor für Kunst- und Designtheorie an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim. Daneben seit 2011 Mitglied der Faculty des Certified Program Visual Competencies der Donau-Universität Krems und seit 2016 Direktor des Institute for Human Engineering & Empathic Design Pforzheim (HEED).

Steffen Siegel ist seit 2015 Professor für Theorie und Geschichte der Fotografie an der Folkwang Universität der Künste Essen und leitet dort den wissenschaftlichen Master-Studiengang Photography Studies and Research. Jüngste Veröffentlichungen sind: First Exposure. Writings from the Beginning of Photography, Los Angeles 2017, und „Über Fotografie schreiben“ (Themenheft Nr. 145 von Fotogeschichte, mit Bernd Stiegler).

Christopher Haaf studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Volkswirtschaftslehre an der Ludwig- Maximilians-Universität München. Linus Rapp studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Beide sind seit April 2017 Doktoranden innerhalb des durch die Volkswagenstiftung geförderten und gemeinsam von Museum Ulm, der Hochschule Pforzheim und der Folkwang Universität der Künste getragenen Forschungsprojekts „Gestaltung ausstellen. Die Sichtbarkeit der HfG Ulm: Von Ulm nach Montréal“.

Gabriele Schabacher
Design und Repair. Zur Kreativität des Wiederherstellens

Gemeinhin gilt das Reparieren als dem Herstellen gegenüber nachgeordnete und sekundäre Praxis. Spätestens jedoch, wenn die heterogenen Akteur-Netzwerke der Reparatur selbst in den Blick gerückt werden, zeigt sich deren Charakter als materiale bricolage, Umnutzung und Neugestaltung, die nicht nur implizites Wissen, sondern ebenso Geschicklichkeit voraussetzt und so im Kontext der Wiederherstellung immer auch inventiv wirkt. Der Vortrag rückt diese kreative Dimension des Reparierens als Prozess eines immer schon stattfindenden Redesigns (Latour) in den Vordergrund und fragt nach den Konsequenzen, die sich daraus für den Begriff des Designs auf epistemischer, praktischer und politischer Ebene ergeben.

Gabriele Schabacher ist Professorin für Medienkulturwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Forschungsschwerpunkte: Kultur- und Medientheorie, historische Verkehrs- und Mobilitätsforschung, Medialität von Infrastrukturen, Formationen von Serialität. Aktuelle Publikation: Kulturen des Reparierens. Dinge – Wissen – Praktiken (hg. mit Stefan Krebs, Heike Weber) 2018 (im Erscheinen).

Franziska Morlok, Martin Conrads
Was war Designarchäologie?

Unlängst war – bisweilen im Anschluss an medienarchäologische Überlegungen – die Rede von einer „Designarchäologie“ aufgekommen. In einem vorauseilenden Rückblick stellt sich die Frage, welche gestalterischen Praktiken dazu beitrugen, den Begriff zu definieren, als auch, wie ein archäologischer Ansatz im Design auf spezifische Entwurfsmethoden und Aspekte gestalterischen Forschens einwirkte.

Martin Conrads beschäftigt(e) sich u. a. mit Formen von Kritik, konzeptuellen Publikationen, Radio und der Gestaltung spekulativer Realitäten. Er war Redakteur bei der Zeitschrift Texte zur Kunst, Produzent beim deutsch-polnischen Künstlerradio Radio Copernicus und Mitherausgeber des internationalen Zeitschriftenprojektes Die Planung / A Terv.

Franziska Morlok ist seit 2017 Professorin für Redaktionelle Gestaltung an der Fachhochschule Potsdam. Sie studierte Grafikdesign an der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken und der Universität der Künste Berlin. Seit 2007 gestaltet sie mit ihrem Designstudio Rimini Berlin für den kulturellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich.

Martin Conrads und Franziska Morlok unterrichteten von 2009 bis 2016 in gemeinsam konzipierten und durchgeführten Lehrveranstaltungen im Studiengang Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin. Gemeinsam haben sie u.a. herausgegeben: Liebeslexikon (mit Fons Hickmann), Mainz 2016; HELIBO SEYOMAN (mit Bogna Świątkowska), Warschau 2016; Archiv aus Schriften der Universität der Künste Berlin, Berlin 2016.

Anke Haarmann
Zu einer besinnlichen Designtheorie im Zeitalter allgemeiner Aufregung

Auf die allgemeine Diagnose, dass sich im Zuge der informationellen Revolution das Selbstverständnis, die Aufgabenfelder und die Tätigkeitsformen des Designs transformieren, kann die Designtheorie als kritische oder buchstäblich „besinnliche“ Theorie reagieren, indem sie historische, gesellschaftliche und begriffliche Kontextualisierungen dessen vornimmt, was als die Zukunft des Designs präsentiert wird, und ihre eigene Rolle als Theorie in diesem allgemeinen Willen zum Neuentwurf reflektiert.

Anke Haarmann ist promovierte Philosophin, konzeptuell arbeitende Künstlerin, manchmal Kuratorin und derzeit Professorin für Designtheorie und Designforschung am Department Design der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, wo sie auch das Zentrum für Designforschung leitet.

Gerhard Schweppenhäuser
Kommunikationsdesign und visuelle Dialektik der Aufklärung

Design ist „formgebende Tätigkeit“, die brauchbare Artefakte und Kommunikationsformate entwirft – auch im digitalisierten „Hightech-Kapitalismus“. Mit Blick auf Produktwerbung, Information und Selbst-Design werden die Beiträge von semiotischer Kulturtheorie und kritischer Theorie für eine Philosophie des Kommunikationsdesigns skizziert: als Rekonstruktion der Dialektik visueller Aufklärung. Im Kommunikationsdesign manifestiert sich der normative Gedanke eines vernünftigen Allgemeinen (autonom gestaltete Lebenswirklichkeit in privater und öffentlicher Sphäre) und gleichzeitig das Verwertungsinteresse unter herrschaftlichen Konditionen (Partikularität, die das Besondere emanzipiert und ein konkret Allgemeines antizipiert, dessen Realisierung jedoch blockiert).

Gerhard Schweppenhäuser ist Professor für Design-, Kommunikations- und Medientheorie an der Fakultät Gestaltung der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für kritische Theorie sowie der Schriftenreihen Ästhetik und Kulturphilosophie, Bibliothek für Designer und Würzburger Beiträge zur Designforschung.

Daniel Martin Feige
Was war Funktion?

Im Zuge eines gestiegenen Interesses an Fragen der Alltagsästhetik ist in jüngeren Debatten der angloamerikanischen Ästhetik auch vermehrt über Design nachgedacht worden. Charakteristisch für diese Debatten ist, dass sie in weiten Teilen um den Begriff der Funktion kreisen und damit auf Beiträge der modernistischen Ästhetik bezogen sind, die im Lichte der jüngeren Designforschung und Designtheorie anachronistisch anmuten. In meinem Beitrag wird es darum gehen, entsprechende Debatten vorzustellen und dabei zweierlei geltend zu machen: Erstens sind entsprechende Debatten einem verkürzten Verständnis des Begriffs der Funktion verpflichtet. Zweitens folgt daraus nicht, dass sich dieser Begriff nicht in anderer und fruchtbarerer Weise für designtheoretische Fragen bestimmen ließe.

Daniel Martin Feige ist seit 2015 Juniorprofessor für Philosophie und Ästhetik unter besonderer Berücksichtigung des Designs an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Forschungs- und Publikationsschwerpunkte in der Ästhetik und der theoretischen Philosophie. Die Monografie Design. Eine philosophische Analyse erscheint 2018.

Judith Siegmund
Kunst und Design im Wechselverhältnis von Funktionalität und Nichtfunktionalität

Design und Architektur sind von ihren Protagonisten im 20. Jahrhundert als funktional aufgefasst worden. Diese Tatsache ist von der ästhetischen Theorie verwendet worden, um mit Hilfe der Grenzziehung zwischen einem funktionalen Design einerseits und einer nichtfunktionalen Kunst andererseits das Feld der Kunstautonomie abzustecken. Die Grenze verlief so zwischen Dienlichkeit (Heidegger) und Zweckfreiheit (Kant-Variation). Inzwischen hat sich das Selbstverständnis von Designer_innen (und das vieler Künstler_innen) modifiziert. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Bestimmung des Verhältnisses von Design und  Kunst?

Judith Siegmund ist Juniorprofessorin für Theorie der Gestaltung / Ästhetische Theorie und Gendertheorie an der Universität der Künste Berlin. Forschungsschwerpunkte: ästhetische Theorien der Kunst und des Designs, produktionsästhetische Epistemologie, sozialwissenschaftliche Theorien der Arbeit und der künstlerischen Tätigkeit, Intervention und Partizipation in Kunst und Politik. Publikationen: Die Evidenz der Kunst. Künstlerisches Handeln als ästhetische Kommunikation, Bielefeld 2007; Kunst und Handlung (hg. mit Daniel Martin Feige), Bielefeld 2015; Wie verändert sich Kunst, wenn man sie als Forschung versteht? (Hg.), Bielefeld 2016.

Podiumsdiskussion
Politiken des Designs: umkämpfte Prozesse der (un-)sichtbaren Gestaltung Berlins

Vorherrschendem Verständnis zufolge gestaltet Urban Design Objekte, Gebäude und Ensembles. Es gerät leicht aus dem Blick, dass durch die Formulierung von Gestaltungsaufgaben, durch Problembeschreibungen und als unveränderbar angenommene Randbedingungen maßgebliche Gestaltungsentscheidungen bereits getroffen sind. Denn diese Aufgabenstellungen, Problembeschreibungen und Randbedingungen sind selbst immer gestaltet, gestaltend und inhärent politisch. In der Podiumsdiskussion möchten wir anhand verschiedener Beispiele aktueller stadtentwicklungspolitischer Auseinandersetzungen in Berlin diesem erweiterten Verständnis von Gestaltung nachgehen und fragen: Wie werden Grenzen gezogen zwischen „zu Gestaltendem“ und angeblich „nicht Gestaltetem / nicht Gestaltbarem“? Wie greifen dabei politische Diskurse, Mobilisierungen, Policy-Entscheidungen und konkrete Planungsprozesse sowie deren Abläufe und Instrumente ineinander? Und wie können diese Grenzen verschoben, urbane Gestaltungsprozesse also (re-)politisiert werden?
Zunächst gibt Andrej Holm dafür Beispiele aktueller wohnungspolitischer Auseinandersetzungen in Berlin. Noa K. Ha zeigt, wie für die Gestaltung öffentlichen Raums derzeit „neue“ homogenisierte Nutzergruppen imaginiert werden und welche problematische Grundlage diese stereotypisierten Zuschreibungen für den weiteren Gestaltungsprozess darstellen können. Robert Burghardt stellt die Auseinandersetzungen um das sogenannte Dragoner Areal in Berlin-Kreuzberg vor, wo nach der rückgängig gemachten Privatisierung neben der Verwaltung auch zahlreiche Anwohner_innen, Initiativen und studentische Entwurfsstudios nicht nur debattieren, welche Gebäude entstehen sollen, sondern auch wer die Planung planen sollte.
Gemeinsam können anhand der Beispiele verschiedene (mögliche) Strategien der (Re-)Politisierung urbaner Gestaltungsprozesse diskutiert werden.

Noa K. Ha ist an der Technischen Universität Berlin in Architektur promoviert worden und derzeit Koordinatorin eines internationalen Graduiertenkollegs am Center for Metropolitan Studies. In ihrer Forschung untersucht sie die Produktion des städtischen Raumes aus einer feministischen, rassismuskritischen und dekolonialen Perspektive. Aktuell untersucht sie postkolonialen Urbanismus in Europa und die räumliche Produktion der asiatischen Diaspora in europäischen Städten. Noa K. Ha ist seit mehreren Jahren im Vorstand des Migrationsrats Berlin und im asiatisch-deutschen Verein korientation e.V. aktiv.

Robert Burghardt ist Architekt und betreut derzeit im Rahmen seiner Mitarbeit am Studiengang Urban Design an der Hafencity Universität Hamburg die Planung und den Bau eines Gemeinschaftshauses mit und für alte und neue Nachbar_innen. Er stellt sich theoretisch und praktisch den Problemen eines relationalen Architekturbegriffs, also einem Architekturverständnis, das davon ausgeht, dass die Art und Weise, wie etwas entsteht, genauso wichtig ist wie das, was entsteht. Aus diesem Grunde organisiert er sich politisch für andere Bedingungen in der Raumproduktion, z. B. in der Initiative Stadt von Unten und im Mietshäusersyndikat.

Andrej Holm ist promovierter Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Stadt- und Wohnungspolitik. Er beschäftigt sich mit dem Thema Gentrification und den damit verbundenen Konflikten und Mobilisierungen. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Stadterneuerung, Wohnungspolitik und Zwangsräumungen. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin engagiert er sich seit über 25 Jahren in Stadtteilinitiativen und Mieterorganisationen und setzt sich aktiv für das Recht auf Wohnen ein.