Anlässlich des Todes von Enno Patalas erinnert Dr. Anna Bohn an die Maßstäbe setzende filmhistorische Arbeit von Enno Patalas am Filminstitut der Universität der Künste Berlin:
„Für meinen Werdegang war die Begegnung und Zusammenarbeit mit Enno Patalas prägend, zunächst in München, wo ich studierte und den russischen Filmclub des Münchner Filmzentrums – Freunde des Münchner Filmmuseums mit begründete und viel im Kino war, am häufigsten im Filmmuseum, um die von Enno Patalas und seinem Team kuratierten Filmprogramme zu sehen. Als freie Mitarbeiterin übersetzte ich später auch die Zwischentitel russischer Filme und sprach sie im Kino ein. Ich promovierte zum Thema Film und Macht und der Kunst- und Filmtheorie Sergej Eisensteins. Als wir 1998 zum 100 Geburtstag von Sergej Eisensteins die große dreimonatige Retrospektive „Eisenstein und die Welt“ im Filmmuseum München zeigten, da war Enno Patalas bereits im Ruhestand.
2000 wurde Enno Patalas zusammen mit seiner Frau Frieda Grafe mit dem 01 award ausgezeichnet. Der Preis war mit der Verleihung einer Honorarprofessur an der Universität der Künste Berlin verbunden. Frieda Grafe verstarb 2002. Eines der ersten Projekte, das die 2002 durch die Bundesregierung gegründete Kulturstiftung des Bundes förderte, war das Projekt „DVD als Medium kritischer Filmeditionen“, das 2003 am Filminstitut der Universität der Künste Berlin startete.
Enno Patalas war der künstlerische Leiter, die Projektkoordination lag bei mir. Zusammen mit einem Team von künstlerischen Mitarbeitern (Gunter Krüger und Björn Speidel) und Studierenden (Franziska Latell, Antje Michna, Frederick Lang) wurde an der Edition der DVD-Studienfassung „Metropolis“ von Fritz Lang), der Nadeltonfassung „Panzerkreuzer Potemkin“ von Sergei Eisenstein und dem Drehtagebuch zum Film „Tabu“ von Friedrich Wilhelm Murnau) gearbeitet. Das Projekt wurde des Weiteren von Heinz Emigholz und Carlos Bustamante beratend unterstützt.
2006 wurde die DVD Studienfassung „Metropolis“ vom Filminstitut der UdK herausgegeben. Die DVD-Studienfassung „Metropolis“ hat als viel beachtete wissenschaftliche Filmedition („scholarly edition“) wesentlich zum Fassungsvergleich mit der 2009 in Buenos Aires identifizierten spanischsprachigen Verleihfassung „Metropolis“ beigetragen, was zu der bis dato letzten Rekonstruktion 2010 führte.
Ebenfalls mit Förderung der Kulturstiftung des Bundes wurde 2004-2005 das Projekt der Rekonstruktion „Panzerkreuzer Potemkin“ an der Stiftung Deutsche Kinemathek unter künstlerischer Leitung von Enno Patalas und Projektkoordination und wissenschaftliche Mitarbeit von mir durchgeführt. Die parallel durchgeführte Rekonstruktion der deutschen Verleihfassung des Films und der Nadeltonfassung „Panzerkreuzer Potemkin“ entstanden am Filminstitut der Universität der Künste Berlin. 2014 erschien letztere mit Musik von Edmund Meisel erstmals auf DVD in der Reihe Edition Filmmuseum.“
Dr. Anna Bohn