"Ein grundsätzlich gutes Gefühl"

Die Künstlerinnen und Filmemacherinnen Stefanie Gaus, Lilli Kuschel, Sonya Schönberger und Isabell Spengler stellen in ihrer Film- und Kunstreihe KORRESPONDENZEN ausschließlich Werke von Frauen vor. Ein Gespräch mit zwei der Kuratorinnen über die Filmbranche, eine spezielle Frauenförderung und die Notwendigkeit von Netzwerken.

 

Das Gespräch führte Stella Schalamon.

 

Mit KORRESPONDENZEN kuratiert ihr Filmemacherinnen und Künstlerinnen. Ihr seid selbst Filmemacherinnen und wollt mit der Reihe Frauen eine Plattform bieten, weil sie in der Film- und Kunstbranche weiter unterrepräsentiert sind. Wie ist es als Frau in der Filmbranche?

Lilli Kuschel: 2018 wurde Rachel Morrison als erste Kamerafrau bei den Oscars nominiert. Überhaupt nominiert, das sagt schon alles. Ich bin selbst Kamerafrau und habe mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Es gibt die merkwürdigen Argumente, dass Frauen zu schwach wären Filmtechnik und Kameras zu tragen, Kinder und Einkaufstüten geht dann aber wieder. In technischen Berufen wird Männern generell mehr Vertrauen entgegengebracht, ein altes Vorurteil, welches leider immer noch herrscht.

 

Geht dir das auch so, Steffi?

Stefanie Gaus: Wir haben gerade in Japan gedreht, Lilli hat die Kamera für eine filmische Arbeit von mir gemacht. Als Team aus drei Frauen haben wir permanent gemerkt, dass wir nicht den Erwartungen entsprechen. Einfach durch unser Geschlecht. Wir haben Erstaunen ausgelöst.

Lilli Kuschel: ,,You are the cameraman? But you’re a woman.“ Für mein Seminar Kamerafrauen, das ich an der UdK dieses Semester gegeben habe, habe ich viele Filme in der Bücherei recherchiert, bei denen Frauen hinter der Kamera gestanden haben. Als Stichwort gibt es nur Kameramann. Da steht dann Rachel Morrison – Kameramann. Das ist einfach immer noch extrem rückständig.

 

Ihr und die anderen beiden Kuratorinnen habt euch alle an der UdK kennengelernt. Steffi war damals künstlerische Mitarbeiterin, Lilli hat studiert und ist jetzt auch künstlerische Mitarbeiterin. Wie nehmt ihr den Anteil der Frauen dort wahr? Laut einer Studie der Filmförderungsanstalt von 2017 sind 40% der Studierenden in Filmstudiengängen Frauen.

Lilli Kuschel: In unserem Studiengang Kunst und Medien finde ich den Anteil ausgewogen. Momentan haben wir Thomas Arslan, Alberto de Campo, Nina Fischer und Anna Anders in den Professuren. Auch bei den künstlerischen Mitarbeiter*innen und unseren Student*innen ist es ziemlich ausgewogen.

 

Wieso arbeiten dennoch so wenige Frauen letzten Endes beim Film, trotz Abschluss?

Lilli Kuschel: Die Produktionsbedingungen sind für Männer wie Frauen nicht einfach, insbesondere im Bereich des künstlerischen Films. Es ist schwieriger als Frau zu sagen, ich habe Kinder, aber bin mal sechs Wochen weg. Bei Männern ist das traditionell viel anerkannter und normaler. Frauen fühlen sich vielleicht noch mehr in der Verantwortung oder in der Balance zwischen Karriere-machen-wollen und auf der anderen Seite eine super gute Mutter sein zu wollen. An Filmsets gibt es keine Kinderbetreuung. Das wird einfach nicht mitgedacht.

 

Ist das etwas, was ihr mit KORRESPONDENZEN ansprechen wollt? Bis jetzt war es nur bei einem Screening kurz Thema.

Stefanie Gaus: Wir achten darauf, die Thematik nicht in jedem der Screenings anklingen zu lassen. Beim Film von Lucia Margarita Bauer, der sich mit der sehr familiären, weiblichen Perspektive ihrer eigenen Familie befasst und der Arbeit von Silvina Der Meguerditchian, die einen ganz spezifisch weiblichen Blick für ihr Empfinden in ihrem Land hat, hat sich das angeboten. Da wurden die Produktionsbedingungen in den Arbeiten selbst thematisiert.

Lilli Kuschel: Bei KORRESPONDENZEN geht es vor allem darum, spannende Werke in Korrespondenz miteinander zu bringen. Gleichzeitig wollen wir Arbeiten von Frauen sichtbar machen. Ich finde es falsch zu sagen, man muss Frauen fördern und dann muss es auch die ganze Zeit um sogenannte Frauenthemen gehen. Es ist uns wichtig, dass es um die Arbeiten selber geht.

 

Seht ihr eine Frauenförderung deshalb auch kritisch?

Stefanie Gaus: Die Frauenförderung hat uns die Möglichkeit gegeben, dass die jeweiligen Künstlerinnen auf eine Art und Weise honoriert werden, auch finanziell, wie wir das für angemessen empfinden. Und das war ein grundsätzlich gutes Gefühl.

Lilli Kuschel: Solange diese Ungerechtigkeiten existieren, ist eine Frauenförderung absolut notwendig. Die Selbstregulierung scheint nicht zu funktionieren. Da ist auch eine Quote ganz wichtig, um mit bestimmten überholten Konstruktionen, Männerseilschaften und Vorurteilen aufzuräumen.

 

Genau diese Männerseilschaften in der Filmbranche werden als eine der größten Hindernisse für Frauen genannt. In Schweden werden seit 2013 nicht nur Fördergelder nach Quote vergeben, sondern auch Netzwerke für Frauen aufgebaut. Wie wichtig sind Netzwerke?

Lilli Kuschel: Sehr wichtig! Viele Netzwerke sind gerade am Entstehen und das ist das Wichtigste beim Filmemachen. Man kann es nicht alleine machen. Man muss Banden bilden.

 

Ist #MeToo ein Anstoß dafür gewesen, sich als Frauen zu vernetzen und zu solidarisieren?

Lilli Kuschel: Die #MeToo-Debatte kommt ja aus der Filmbranche. Sie hat natürlich viele Themen wieder angesprochen und vielen Frauen Mut gemacht, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Gerade im Film gab es aber schon einmal eine große feministische Welle in den 80er Jahren. Man hat soziale Themen und sogenannte ,,Frauenthemen“ gefördert und dann hörte es auf. Viele von den Frauen waren in der Mitte ihrer Karriere und sind dann nicht weitergekommen. So gibt es immer diese Wellen und die Gefahr ist, dass sie abbrechen. Die Frage ist, wie man Kontinuität schafft.

 

Ist eine Kontinuität der #MeToo-Debatte in euren Augen an den Film- und Kunsthochschulen beobachtbar?

Stefanie Gaus: Grundsätzlich würde ich sagen, dass insgesamt in den Bildungssystemen die Sichtbarmachung von existierenden Diskriminierungen angeschoben wurde. Das ist auch an die Kunst- und Filmhochschulen gekommen, auch bereits vor #MeToo. Irgendwann habe ich mich mit Entsetzen selbst betrachtet, welche Filme ich in meiner Ausbildung gezeigt bekam, welche ich selber an Studierende vermittle. Man rutscht so schnell in den Kanon rein. Ich sehe da noch lange kein Ende, sondern vielmehr die Notwendigkeit einer konstanten Hinterfragung und Bewusstmachung.

 

Und ganz klar auch Filmreihen explizit für Frauen, wie KORRESPONDENZEN. Wie sind denn die Künstlerinnen und ihre Arbeiten zu euch und eurer Reihe gekommen?

Lilli Kuschel: Wir haben ja das Überthema ,,Umwidmungen“ und haben versucht Arbeiten zu finden, in denen Umwidmungen, Transformationsprozesse unterschiedlicher Art drinstecken. Es waren Filme, die uns bekannt waren, aber auch komplett neue Entdeckungen. Die Formate der Arbeiten sind sehr unterschiedlich. Es gibt nicht nur filmische Arbeiten, sondern auch Videoinstallationen, Performances oder Lesungen. So entstehen an jedem Abend Korrespondenzen zwischen einer filmischen Arbeit und einer Arbeit, die z.B. mit dem Raum an sich arbeitet. Die Zwinglikirche, der Ort unserer Veranstaltungen, ist dafür sehr spannend, er hat ja selbst eine Umwidmung von der Kirche zum Kulturraum erfahren.

Stefanie Gaus: Es ging uns auch darum, Filme von ehemaligen Studierenden in Kontext mit Künstlerinnen und Filmemacherinnen zu setzen, die schon einen Schritt nach dem Studium sind, sich schon anders etablieren konnten. Und das an diesem Ort, der nicht an der UdK angesiedelt ist. Die Arbeiten stehen zwar im Zusammenhang mit ihr, werden aber nichtsdestotrotz außerhalb präsentiert, wo sie ein anderes Publikum erreichen können.

 

Ihr kreiert also irgendwie auch ein Netzwerk, lasst Künstlerinnen und ihre Arbeiten miteinander korrespondieren.

Lilli Kuschel: Ja. Die Künstlerinnen haben sich im Vorfeld jeweils mit der Arbeit der anderen Künstlerin auseinandergesetzt, haben sich kennengelernt und ausgetauscht und in einem moderierten Gespräch mit dem Publikum diskutiert.

 

Gab es Reaktionen darauf, dass ihr nur Arbeiten von Frauen ausstellt?

Lilli Kuschel: Ich wurde von einigen Männern gefragt, ob sie auch kommen dürfen. Das ist natürlich im Scherz gemeint, aber eine Verunsicherung schwingt schon mit.

 

Und was hast du ihnen geantwortet?

Lilli Kuschel: Ich lade sie ein. Ich ermutige sie zu kommen. Unser Programm ist für alle Geschlechter interessant und keinesfalls an ein reines Frauenpublikum gerichtet.

 

Welche KORRESPONDENZEN werden noch folgen?

Stefanie Gaus: Es gibt zum Beispiel eine Veranstaltung unter dem Titel Kunst überleben – von Mikroorganismen gelernte Strategien in Anwendung. Das ist eine experimentelle Veranstaltungsform einer Dreier-Frauen-Kombination aus der bildenden Künstlerin Kerstin Cmelka und den zwei Schriftstellerinnen Monika Rinck und Ann Cotten. Sie haben das Bild eines Pilzes für Überlebensstrategien von Künstlerinnen gewählt: Welche Anforderungen werden an die Arbeit und das Überleben gestellt, welche Anpassungsmechanismen braucht es. Da ist der Pilz mit seinem unterirdischen Netzwerk natürlich ein gutes Moment.

 

Ein schönes Bild. Was ist denn eure Überlebensstrategie als Künstlerin und Filmemacherin?

Stefanie Gaus: Ich habe einen großen Fokus auf meine Lehre an der UdK gesetzt und bin aktuell mit deren Ende konfrontiert und damit, wie es weiter geht. Das ist mehr eine gemachte Entscheidung, weil die Anstellung als künstlerische Mitarbeiterin zeitlich begrenzt ist. Jetzt möchte ich mich erstmal ein bisschen umorientieren.

Lilli Kuschel: Bei mir ist es die Vielfalt der Betätigung: Ich bin Künstlerin, Fotografin, Filmemacherin, Lehrende und gleichzeitig noch im Kollektiv Expander Film Berlin, einer Filmproduktion. So versuche ich mich durch viele Dinge gleichzeitig über Wasser zu halten (hält kurz inne). Das ist kein guter Satz.

Stefanie Gaus: . . . über dem Wasser zu schweben.