Theater, Technosphäre, Todesstern

Quelle: Andreas Wolfsteiner

Theater, Technosphäre, Todesstern

Im Rahmen der Vorlesung Techniken des Theaters

Datum: 28.6.2023 von 19:00 – 20:30 Uhr   
Ort: Hardenbergstr. 33 / Raum 158 
Online: 
https://www.inkuele.de/live

Dieser Vortrag beschäftigt sich mit der zentralen These, dass das Theater ein Ort ist, an dem die technologischen Parameter unserer Handlungsumgebungen entscheidend erforscht werden können. So soll eine spezifische Perspektive darauf entstehen, wie Technologie die Welt konstruktiv formt, extraktiv deformiert und möglicherweise in Zukunft umformen wird. Mit dem Begriff »Welt« ist insbesondere das Zusammenspiel von maschineller Imaginationssteuerung und innerer Landschaft gemeint, wie es in Verfahren des gestalterischen »worldbuilding« zum Ausdruck kommt. Dieser Zusammenhang lässt sich zum Beispiel anhand apparativer Interfaces, der Materialität von Bildschirmoberflächen und Armaturen plausibilisieren. Die dabei verwendeten User-Dramaturgien sind Methoden zur räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Organisation szenischer Elemente, die sich aufgrund medialer Bedingungen fortlaufend wandeln.

Im Rahmen einer kulturhistorischen Vergleichsanalyse werden traditionelle Instrumente der logistischen Organisation im Theater untersucht, die heute als Sichtbarkeitsmaschinen gängiger digitaler Dramaturgien gelten. (Diese Objekte spielen nicht selten auf die diskurshistorisch wirksame Verbindung von Technologie und Magie an.) Insbesondere kann das im 19. Jahrhundert viel verwendete tabellarische »Scenarium« als ein solches Tool betrachtet werden, oder auch das im Wandel der Lichttechnik in Gebrauch kommende »magic sheet«. Der Fokus liegt darauf, wie das Theater genutzt werden kann, um jenen »Todesstern« zu kritisieren, den unsere heutige techno-industrielle Gesellschaft darstellt.


Andreas Wolfsteiner
Andreas Wolfsteiner, Prof. Dr., ist als Professor für Angewandte Theaterwissenschaft Studiendekan und Leiter des Instituts für Theaterpädagogik der HS Osnabrück/Campus Lingen. Vertretungsprofessuren an der FU Berlin und der Universität Hildesheim. Gastprofessur »Vielfalt der Wissensformen/Diversity of Knowledge«, HU Berlin (2017/18). Promotion 2008 am DFG-GRK »Körper-Inszenierungen«, FU Berlin (Der formatierte Körper, 2011). Postdoktorand des Internationalen DFG-GRK »InterArt/Interart Studies«, FU Berlin (2011-2012). Mitarbeiter am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur, Universität Hildesheim und dortige Habilitation im Jahr 2016 (Sichtbarkeitsmaschinen. Zum Umgang mit Szenarien, 2018). Weitere Publikationen: Live Art Data. New Strategies in Theatre Archiving (hg. mit K. Trachsel, M. Bachmann u. A. Heinrich, 2021); »Die Dressur der Dinge«, in: J. Roselt u. K. Trachsel (Hg.), Üben üben. Praktiken und Verfahren des Übens in den Künsten (erscheint 2023).