LaborAtelier II
LaborAtelier II - 20 Jahre Universität der Künste Berlin
Rede des Präsidenten am 02. Mai 2022
Sehr geehrte Anwesende,
ich darf Sie alle ganz herzlich zu LaborAtelier II begrüßen.
Heute ist ein Festtag für die Universität der Künste (UdK) Berlin, denn wir feiern den 20-jährigen Universitätsstatus der Institution und wollen mit Ihnen gemeinsam nach vorne schauen.
Mit dem Jahr 2022 blickt die UdK Berlin auch auf eine komplexe 325-jährige institutionelle Entwicklungsgeschichte zurück. Die hervorragende Ausbildung in den unterschiedlichsten Künsten zieht sich als ein Kontinuum durch die Epochen, in der sich prismatisch die zeitgeschichtlichen Entwicklungen von Kultur, Politik und Gesellschaft reflektieren.
Diese Entwicklungslinie prädestiniert die Universität der Künste Berlin in besonderem Maße als Bildungsinstitution des 21. Jahrhunderts – aus der Geschichte lernend, den Künsten als eigenständigem Weltzugang verpflichtet und dem Neuen und Experimentellen aufgeschlossen.
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Als wir im Präsidium über die Ausrichtung dieser Feierlichkeiten sprachen, wurde uns schnell klar, dass wir weniger den Blick nach hinten wenden, sondern vor allem eine mutigen Perspektive nach vorne riskieren wollten.
Dazu möchten wir sie herzlich einladen.
Neben künstlerischen Interventionen, Vorträgen und Begegnungen wird der heutige Tag Möglichkeiten bieten, die Inhalte der Auftaktveranstaltung LaborAtelier I vom Dezember 2021 weiter zu vertiefen.
In diesem Gespräch hatten wir uns mit tradierten Grenzziehungen zwischen den Wissenskulturen beschäftigt. Die strenge Separierung zwischen den Wissenschaften und Künste wird zunehmend kritisch und stattdessen als ein neues methodisches und epistemisches Feld verbundener Weltzugänge betrachtet. Es ist unsere Überzeugung, dass die UdK Berlin für die Ausarbeitung einer führenden Forschungsposition in diesem Feld strukturell, personell und fachlich in besonderem Maße prädestiniert ist.
Im Hinblick auf ihre herausgehobene Bedeutung als eine der weltweit führenden Kunstuniversitäten erwarten wir von der Landespolitik eine rechtliche und ökonomische Unterstützung für die Verwirklichung dieser akademischen Ziele. Das aktuelle Hochschulgesetz erfüllt diesen Anspruch zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht.
Auch ist die auskömmliche Ausstattung für die Stärkung übergeordneter institutioneller Strukturen unabdingbar. Dazu gehören
- eine Weiterentwicklung des Berlin Centre for Advanced Studies in Arts and Sciences, das verschiedene postgraduale Qualifikations- und Stipendienprogramme bündelt,
- ein Ausbau der international ausgerichteten Graduiertenschule mit einem stärkeren Anschluss an die postgradualen Programme der Fakultäten,
- die Fortführung der erfolgreichen Arbeit des bisherigen Graduiertenkollegs „Das Wissen der Künste“ durch eine strukturierte Vernetzung innerhalb und außerhalb der Hochschule
- sowie die Sicherung einer räumlichen Infrastruktur für Qualifikationsformate und Forschungsprojekte.
Diese Veränderungen bieten Potentiale für eine kommunikative Kultur zwischen Disziplinen, aber vor allem zwischen anderen Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen am Standort Berlin. Es ist meine feste Überzeugung, dass nur in Berlin dies auf so einzigartige Weise erkundet werden kann, um somit progressive Denkhaltungen und innovative Praktiken von hoher Relevanz und Strahlkraft zu befördern.
Wir hoffen, dass die herausragenden, sich befruchtenden Potentiale der Berliner Hochschulen, der Kultureinrichtungen und der außeruniversitären Institutionen von der Politik deshalb nicht nur erkannt, sondern auch zukunftsfähig mit der notwendigen strukturellen und finanziellen Ausstattung weiterentwickelt werden.
Die UdK Berlin agiert seit nunmehr 20 Jahren im Verbund mit den Berliner Kunsthochschulen auf der einen, und den Universitäten auf der anderen Seite. Diese Beziehungen sind durch die Krisen noch intensiviert worden, sie sind geprägt von einem kollegialen Geist und einer gemeinsamen politischen und inhaltlichen Stoßrichtung, die wir weiter ausbauen möchten.
Im Gewebe der Stadt nimmt die UdK Berlin mit ihren 20 Standorten eine rhizomartige Struktur ein und verbindet sich mit künstlerisch und wissenschaftlich interessanten Institutionen im Austausch mit der Zivilgesellschaft. Beispielhaft ist hier das Hochschulübergreifende Zentrum Tanz (HZT) zu nennen, welches als gemeinsames Zentrum von der UdK Berlin und der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch einen Dreiklang von Kunst, Wissenschaft und gesellschaftlicher Vernetzung orchestriert.
Inter- und transdisziplinäre Projekte, fakultäts- und hochschulübergreifende Begegnungen wie auch hier am Campus Charlottenburg erproben schon jetzt diese Potentiale auf den jeweiligen institutionellen Maßstabsebenen, doch braucht es auch zusätzliche staatliche Unterstützungen, um ausreichende räumliche und budgetäre Bedingungen zu schaffen.
Vor allem aber brauchen sie eine entschiedene Haltung der politischen Akteur*innen, Berlin als Standort von Kultur und mutiger Wissenschaft zu fördern, zu entwickeln und sichtbar zu machen. Hierfür wünschen wir uns noch klarere Signale der politischen Entscheidungsträger*innen.
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Auch die gewachsenen Formate künstlerischer Arbeit an der Universität der Künste Berlin sollen in den kommenden Jahren neu betrachtet und nach Möglichkeit intensiviert und erweitert werden.
Dies betrifft die Praxis in den großen Fakultäten, wie in den kleineren Zentren gleichermaßen. Neben der exzellenten Arbeit in den siebzig Studiengängen sind die persönliche Begegnung, der inhaltliche Austausch und die künstlerischen, gestalterischen und wissenschaftlichen Kooperationen über die Fakultäten hinweg zu befördern.
Eine perspektivische Eröffnung sehen wir hierbei auch als eine notwendige Maßnahme an, um den großen, intersektional verbundenen Herausforderungen unserer Gegenwart in den Bereichen von Antidiskriminierung, des Klimawandels und Digitalisierung zu begegnen. Die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen konstituiert einen aktuellen Kunstbegriff, dem sich die Universität verpflichtet fühlt.
Daran wollen wir weiter arbeiten um den Wandel der Institution von einer historisch angelegten universitären Organisationsstruktur fachlich-fakultärer Gliederung hin zu einer lebendigen Ökologie der Künste zu befördern.
Im Zentrum steht hierbei das individuelle künstlerische Projekt.
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Die Identität der Hochschule spannt sich in zunehmenden Maßen zwischen einer Sphäre des Ortes, welche auf der direkten Begegnung in Raum und Material beruht, und einer digitalen Sphäre weltweiter Zugänglichkeit auf. Diese digitalen kunstpraktischen und kommunikativen Prozesse verbinden sich mit ortsgebundenen, taktil-stofflicher Handlungen im Kontext der gebauten Universität, ihren aktuellen und historischen Narrativen, Persönlichkeiten und Archivalien.
Bildet erstgenannte noch eine klare Schwelle aus, die eine institutionelle Zugänglichkeit erschwert, ist die offenere digitale Schnittstelle zugänglicher und einladender, denn sie bietet weitreichende Möglichkeiten globaler Kommunikation und gemeinsamer Praxis und befördert die größere Diversität der handelnden Akteur*innen. Sie liefern auch solidarische Handlungsmöglichkeiten für Künstler*innen in schwierigen politischen Kontexten, die darüber eine höhere Sichtbarkeit und Unterstützung erhalten können. Diese Prozesse gilt es auch post-pandemisch weiter zu stärken und strukturell auszubauen.
Das Digitale bestimmt dabei wirkmächtig und maßstabsübergreifend die Ausgestaltung aller lebensweltlicher Bereiche. Die technologische Entwicklung verändert die immersiven und funktionalen Eigenschaften digitaler Medien, Werkzeuge und Schnittstellen, welche eine grundlegende Strukturveränderung in den Bereichen und Prozessen von Gesellschaft, Ökonomie und Produktion bewirken. Damit einher geht eine zunehmende Verzahnung alltäglich-privater und beruflichen Tätigkeitsfelder.
Auch in universitärer Forschung, Lehre und Verwaltung finden sich digitale Prozesse prominent wieder, sie sind integraler Bestandteil der Künste und Gestaltung an einer Hochschule des 21. Jahrhunderts und ein Zukunftsprojekt.
Diese Praxis in den Künsten, der Gestaltung und der Forschung versteht das Digitale nicht als operative Intensivierung oder Übersetzung tradierter analoger Kunstformen, sondern bildet ein hybrides Amalgam historisch gewachsener und zeitgenössischer Handlungsformen.
Die Digitalität bietet ebenso neue interessante Möglichkeiten, historische Quellen und die Zeitzeugenschaft der Institution hervorzuheben und zu einem zeitgenössischen Kontext in Beziehung zu setzen.
Diese Quellen sind über digitale Dokumentationstechniken als künstlerisches Material neu zu begreifen, zu nutzen und wissenschaftlich zu untersuchen. Sie sind Ressourcen für eine intensivere und erfahrbarere inhaltliche Vernetzung mit der eigenen Geschichte, aber auch mit anderen Institutionen und Akteur*innen weltweit.
Zusammenfassend lässt sich also sagen:
Die digitale Profilbildung der UdK Berlin bietet neue Möglichkeiten künstlerischer Praxis und Kommunikation zwischen Akteur*innen in digitalen und analogen Räumen. Die Wahrnehmung der Institution ist an dieser Stelle zwar flüchtig und immateriell, dabei auf einen globalen Raum ausgerichtet. Doch steht sie in einem direkten Verhältnis zur analogen Identität der Universität, mit ihren Orten und der tradierten Geschichte darin handelnder Personen am Standort Berlin. Die Beziehung beider Sphären, die digitale und die analoge, bilden zusammen eine erweiterte Hochschulidentität, die in der Gegenwart verortet ist und die es zu entwickeln gilt.
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Die umfassenden Implikationen behandelter Themen ziehen eine (selbst-) kritische Reflexion von institutioneller Identität und Hochschulgovernance nach sich.
Die UdK Berlin wird u.a. eine Strukturreform über die nächsten Jahre umsetzen, die eine Anpassung der Grundordnung an die Bedarfe einer zeitgemäßen demokratischen, verantwortlichen, entscheidungsfreudigen und transparenten Hochschulgovernance vorsieht.
Diese betreffen u.a. die geforderte Promovierendenvertretung, die an der Kunstuniversität auch die Mitarbeiter*innen auf künstlerischen Qualifikationsstellen einschließen soll, Regelungen zur guten wissenschaftlichen Praxis und die sich abzeichnenden Änderungen der Vertragslaufzeiten des hauptberuflichen Personals der Hochschule. Die UdK Berlin setzt sich aktiv dafür ein, dass Gremien und Kommissionen geschlechterparitätisch besetzt werden.
Als Präsident ist es mir ein Anliegen, die Gremienarbeit zu fördern, sie stellt eine besondere Qualität inhaltlicher Beteiligung dar, die im europäischen Raum nicht selbstverständlich ist.
Darüber hinaus unterstützt die UdK Berlin die Beteiligung von Studierendenvertreter*innen an Entscheidungsprozessen als wichtiges Instrument strukturellen Hierarchieabbaus. Die UdK Berlin verfolgt die Einführung einer studentischen Vizepräsidentschaft mit Nachdruck. Eine Abstimmung mit der Studierendenschaft und dem Akademischen Senat ist dazu bereits erfolgt. Eine ausführliche Stellungnahme an das Land Berlin wurde formuliert, jedoch ist eine Entscheidung noch ausstehend. Auch hier wäre eine klare und beherzte Entscheidung durch die Politik von Nöten.
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Liebe Anwesende,
Die hier angerissenen Themen stellen nur einen Ausschnitt über die mannigfaltigen Aktivitäten in der Hochschule dar, sie sind auch nicht als Prioritätenliste zu begreifen.
So wie sich die Gesellschaft in einer enormen Transformationsphase befindet, so verändert sich auch die Hochschule. Dies ist erkennbar, denn wohl nie in ihrer Hochschulgeschichte fanden sich so viele Arbeitsgemeinschaften und Initiativen zu den unterschiedlichsten Themen an der Hochschule.
Diesen aktiven Hochschulmitgliedern aus allen Statusgruppen sei an dieser Stelle ganz herzlich für ihre Arbeit gedankt.
Mit Beginn meiner Amtszeit im Frühjahr 2020 stand die Bewältigung der Pandemie im Vordergrund, nun stehen die Hochschulmitglieder zusammen, um den Geflüchteten aus der Ukraine Hilfestellung zu leisten.
In dieser Zeit habe ich die Universität der Künste Berlin als eine solidarisch agierende Institution kennengelernt, die auch mit schwierigen Bedingungen gut umgeht. Für diesen kooperativen Geist möchte ich allen Hochschulmitgliedern ganz herzlich danken.
Die Qualität unserer Zusammenarbeit bestärkt mich auch in meiner Vorstellung, dass wir noch viel erreichen können. Für die Universität der Künste Berlin und den Wissensstandort Berlin.
Lassen Sie es uns zusammen anpacken!